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Endlich mal kein Mitleid

Seit Tagen geistert die „Ice Bucket Challenge“ durch das Internet. Menschen schütten sich für einen guten Zweck Eiswasser über den Kopf. Es geht um die unheilbare Krankheit ALS. Was sagt eine Betroffene dazu?

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© dpa

Leipzig. Die spektakuläre Aktion geht momentan wie eine Welle durch die sozialen Medien: Um auf die seltene wie unheilbare Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) aufmerksam zu machen und um Spenden zu werben, kippen sich Prominente vor laufender Kamera einen Kübel Eiswasser über den Kopf. Anschließend stellen sie das Video ins Netz und nominieren neue Kandidaten für die „Ice Bucket Challenge“ (Eiseimer-Herausforderung).

Wer nicht mitmacht, soll spenden. Aber auch, wer die Dusche über sich ergehen lässt, darf in die Tasche greifen. Die Leipziger Journalistin und ALS-Patientin Yvonne Weindel (41) sagt im Interview, wie sie darüber denkt.

Wie finden Sie die „Ice Bucket Challenge“?

Stichwort: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) führt zu Nervenzerstörungen und fortschreitenden Muskellähmungen. Die Betroffenen können sich im Verlauf der Erkrankung nicht mehr bewegen, sie haben Schwierigkeiten beim Schlucken, Sprechen und Atmen. Das Bewusstsein und der Intellekt bleiben aber in der Regel intakt.

Etwa die Hälfte der Patienten stirbt innerhalb der ersten drei Jahre. Nur in Ausnahmefällen leben sie länger als ein Jahrzehnt mit der unheilbaren Krankheit. Die Todesursache ist meist Atemlähmung.

Über die genauen Ursachen und Mechanismen der Nervenkrankheit ist wenig bekannt. Die meisten Fälle treten spontan auf, nur bis zu zehn Prozent familiär gehäuft. Am häufigsten erkranken Menschen im Alter von 50 bis 70 Jahren, Männer etwas häufiger als Frauen.

In Deutschland gibt es nach Angaben der ALS-Ambulanz in Berlin bundesweit rund 8.000 ALS-Patienten. Auch der Künstler Jörg Immendorff starb 2007 an dieser Nervenkrankheit.

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Es ist eine Riesengaudi. Ich finde das gut, es gefällt mir. Aber da ist auch so ein Gefühl: Man bekommt für eine Weile weltweit Aufmerksamkeit und ist dann doch wieder allein. Und man fragt sich, was wissen die Leute wirklich über diese Krankheit?

Sie sprechen es an: Ist diese Riesengaudi dem Ernst der Krankheit überhaupt angemessen?

Ich finde das ganz schön. Das ist ein lockerer Umgang damit. Diese Aktion hat so eine Leichtigkeit und Verspieltheit. Das ist eine pfiffige Sache, weil man damit auch die Leute trifft, die sich sonst einen Scheißdreck dafür interessieren. Vielleicht ist das der richtige Weg. Es geht eben mal nicht um Mitleid und Betroffenheit. Es ist einfach mal witzig. Auch in meinem Leben gibt es doch viel Witziges.

Was ist mit Ihnen selbst? Machen Sie mit und wen nominieren Sie?

Da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Ich würde gern mitmachen. Und nominieren würde ich Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Astronauten Alexander Gerst, um der ganzen Sache ein Gesicht zu geben. Damit sich immer mehr Menschen fragen, warum es so wenig Forschung zu ALS gibt und warum wir so allein sind.

Interview: Gitta Keil, dpa

Zur Person: Yvonne Weindel ist 41 Jahre alt und gebürtige Mainzerin. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. In Leipzig lebt sie seit 1992. Lange Jahre arbeitete Weindel als Journalistin und Buchautorin. Mittlerweile ist sie am Leipziger Theater der Jungen Welt als Theaterpädagogin tätig. Vor etwa eineinhalb Jahren diagnostizierten die Ärzte bei ihr die unheilbare Nervenkrankheit ALS.