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Elbland-Reha setzt auf ausländische Ärzte

Rund 60 Prozent der Mediziner stammen nicht aus Deutschland. Für Probleme findet die Klinik Rezepte.

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© Anne Hübschmann

Von Susanne Plecher

Großenhain. Reinhold Linn ist Chef der Elbland-Rehaklinik und bringt Dinge gern auf den Punkt. „Wir sind ein buntes Haus“, sagt der Hesse und zitiert eine Statistik: Von den 13 angestellten Ärzten, die in der Einrichtung auf dem Großenhainer Bobersberg arbeiten, haben sechs keinen deutschen Pass. „Wir sind eine multikulturelle Klinik und haben damit kein Problem. Wir haben den Anspruch, unseren Patienten zu helfen. Dem kommen wir nach, unabhängig von der Hautfarbe des Arztes“, sagt Linn. Ressentiments unter den Patienten gäbe es so gut wie keine.

Die noch junge Klinik hat ein großes Problem damit, qualifiziertes Fachpersonal für sich zu gewinnen. An den medizinischen Instituten im Land, also dort, wo die nächste Ärztegeneration ausgebildet wird, ist sie kaum bekannt. Hinzu kommt die ländliche Lage. Das hat sich bislang negativ auf die Anzahl der Initiativbewerbungen ausgewirkt. „Langsam spricht sich aber herum, dass es ein gutes Haus ist, und es treffen mehr Bewerbungen aus Deutschland ein“, sagt Oberarzt Markus Schlomm. Er stammt aus Nordrheinwestfalen und hat sich auf den Posten in Großenhain nur beworben, weil er ihm die Möglichkeit bot, eine Klinik mit aufzubauen. „Das fand ich sehr attraktiv“, sagt er. Genauso wie Schlomm werden ausländische Bewerber durch die permanente Ausschreibung auf der Internetseite der Einrichtung auf sie aufmerksam. „Wir haben viele Bewerber aus Syrien, Nordafrika und Afghanistan“, so Klinikchef Linn.

Integrationskurs für Ärzte besucht

Eine Chance bekommen haben in den letzten drei Monaten unter anderen der Kameruner Eric Besong Mangeb und der Tscheche Petr Bortlicek. Besong Mangeb hat in der Landeshauptstadt Yaondé Medizin studiert und kam schon im November 2012 aus familiären Gründen nach Deutschland. Weil seine Fachkenntnisse nicht ausreichten, musste er viel lernen, bevor ihn eine Kommission an der Berliner Charité genau prüfte. Danach hat er einen achtmonatigen Integrationskurs für ausländische Ärzte besucht. Erst dann erhielt er seine Approbation, ohne die in Deutschland kein Arzt praktizieren darf. Mit der in der Tasche hat die Reha-Leitung seine Bewerbung angenommen.

Seit November ist er Assistenzarzt – und verlässt die Reha selbst nach Feierabend kaum. Er hat ein kleines Zimmer darin bezogen. Der 30-Jährige arbeitet hart für seinen Traum, Mediziner in Deutschland sein zu können. Er sagt: „Ich muss mir immer noch ein bisschen mehr Mühe geben als die Deutschen“. Seine Probezeit endet im Mai. Er kann sich gut vorstellen, länger in Großenhain zu leben und zu arbeiten, auch wenn ihm nicht immer alle freundlich gesonnen sind. Einmal, so schildert er, sei er auf dem Weg vom Bahnhof in die Klinik von einem älteren Mann angespuckt worden. Einschüchtern lässt er sich davon nicht. „Auf der Straße schauen mich die Leute manchmal mit komischen Augen an, hier im Krankenhaus behandeln mich die Patienten respektvoll. Ich weiß, wer ich bin und was ich kann“, sagt er bestimmt.

Heiratspläne mit Sona

Petr Bortlicek kam erst im Januar nach Großenhain – gemeinsam mit seiner Freundin Sona Kincová. Beide haben im tschechischen Brno Medizin studiert. Dort war er Assistenzarzt, hier ist er zunächst Hospitant. „Für die Approbation brauche ich noch das Sprachzertifikat“, sagt er. In Deutschland zu arbeiten, das sei für ihn ein Abenteuer und eine große Herausforderung. Der junge Mediziner mag den Reha-Bereich, weil man als Arzt länger mit dem Patienten arbeiten kann. „Die Beziehung ist intensiver. Das freut mich“, so Bortlicek. Er hofft, sich in dem Bereich weiterentwickeln zu können. Sona und er haben Heiratspläne und würden gern längerfristig bleiben.

Das sind Bekenntnisse, die einem Klinikleiter gut gefallen, vor allem, wenn die Fluktuation unter den Ärzten groß ist. Trotzdem birgt die Arbeit mit den Ausländern auch Konfliktpotenzial. Speziell Kollegen mit arabischer Herkunft falle es schwer, Hierarchien anzuerkennen, vor allem, wenn Frauen weisungsbefugt sind. Gerade am Anfang, wenn es darum geht, die Abläufe einer Klinik zu verstehen, müsse man sich „multipel unterordnen“, so Oberarzt Schlomm. „Da muss man sich auch von Therapeuten oder dem Pflegepersonal etwas sagen lassen“.

Deshalb werden von Anfang an gewisse Regeln vermittelt. Auch, wenn es mit den Deutschkenntnissen hapert, wird die Klinikleitung aktiv. „Manche haben zwar ein Sprachzertifikat, aber ihre tatsächliche Leistung entspricht nicht dem Papier. Dann motivieren wir zur Nacharbeit“, so Reinhold Linn. Ein schwerwiegendes Problem sind die Briefe, die ein Arzt in regelmäßigen Abständen dem Kostenträger schreiben muss. In der Reha sind das nicht nur die Entlassungsbriefe, sondern auch Verlegungsbriefe oder Verlängerungsanträge, in denen über den Fortschritt der Behandlung Bericht erstattet wird. Es sei eine große Herausforderung, sich mit den Abläufen des Sozialversicherungssystems auseinanderzusetzen, zumal wenn es sprachliche Hürden gibt, so Schlomm. Die Klinik hat reagiert und ihr Weiterbildungsprofil darauf ausgerichtet.

Wöchentlich bieten deutsche Ärzte ihren ausländischen Kollegen zur Übung nun ein sogenanntes Briefkolloquium an. „Das hilft uns sehr“, sagen Besong Mangeb und Bortlicek unisono.