Merken

Elbe-Staustufe ist mehr wert als Biber und Lachs

Um die geplante Anlage bei Decin nicht zu gefährden, lehnt Tschechien einen höheren Schutzstatus für das Elbtal ab.

Teilen
Folgen
NEU!
© Petr Špánek

Von Steffen Neumann, SZ-Korrespondent in Usti nad Labem

Die Botschaft war eindeutig: Dem geplanten Bau einer Elbe-Staustufe im tschechischen Decin müssen Biber, Lachs oder der in Deutschland auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen stehende Ufer-Hirschsprung notfalls weichen. Die tschechische Regierung hat sich entschieden, das Natura-2000-Gebiet im Elbtal nicht weiter auszudehnen, um die Pläne für die Elbe-Staustufe nicht zu gefährden. Dass Arten wie Biber und Lachs erst in den letzten 25 Jahren mit sächsischer Hilfe mühevoll wieder angesiedelt wurden, wog in den Augen der Kabinettsmitglieder nicht schwer genug. Sie überstimmten mehrheitlich den Entwurf des Umweltministers Richard Brabec. Offiziell wurde auch Rücksicht auf Einwände der Stadt Decin genommen, die befürchtet hatte, für jede Parkbank, die aufgestellt werden soll, nun vor einem höheren Verwaltungsaufwand zu stehen. Diese Sorgen hatte der Umweltminister als unbegründet zurückgewiesen.

Diese Modellzeichnung zeigt die geplante neue Staustufe bei Decin. Vom natürlichen Charakter des Elbtales bleibt nicht viel übrig
Diese Modellzeichnung zeigt die geplante neue Staustufe bei Decin. Vom natürlichen Charakter des Elbtales bleibt nicht viel übrig © Visualisierung: Wasserstraßendirektion Tschechien

Starke Lobby der Binnenschiffer

„Der eigentliche Grund ist natürlich die Staustufe. Die Lobby der Binnenschiffer war stark genug, ihren Willen durchzusetzen“, sagt Marian Palenik von der in Usti ansässigen Umweltorganisation Pratele prirody (Naturfreunde). Bisher ist das Elbtal von der sächsischen Grenze 8,3 Kilometer flussaufwärts zwar bereits Teil eines Natura-2000-Gebietes, aber damit deutlich kleiner, als die nun abgelehnte Fassung. Und es endet genau dort, wo das Elbewehr künftig gebaut werden soll, was laut Palenik kein Zufall ist.

Eine Erweiterung Richtung Decin und weiter flussaufwärts bis oberhalb der Kleinstadt Litomerice hätte die ohnehin stockenden Planungen für die Staustufe erheblich erschwert. Denn Bauprojekte werden in Tschechien nicht nur nach ihrem Einfluss auf die Umwelt überprüft, sondern auch auf ihre Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebiet. Und gerade da hatten die Staustufenplaner schon bisher schlechte Karten. Schon zweimal hatte der zuständige Gutachter die Projektdokumentation als mangelhaft zurückgewiesen. Eines der Hauptargumente war das Fehlen einer Alternativvariante, die die Schiffbarkeit auch ohne den Bau eines Wehrs verbessert. Der Investor, die staatliche Wasserstraßendirektion RVC lehnt das aber ab. Ein Gutachten der Technischen Universität Prag hätte gezeigt, dass eine Variante ohne Staustufe nicht durchführbar ist.

Vor dem Bau einer Staustufe warnt aber auch die staatliche Naturschutzagentur AOPK, die den Entwurf für das vergrößerte Natura-2000-Gebiet ausgearbeitet hat. Sie weist darauf hin, dass „der Bau und das Bestehen von Wasserwerken am tschechischen Unterlauf der Elbe den natürlichen Charakter des Tales komplett zerstören würde. Lebewesen, die an Fließgewässer gebunden sind, würden aussterben“, so die Agentur weiter. Gerade der Lauf eines so großen Flusses mit schwankenden Wasserständen sei laut AOPK ein einzigartiger Wert, den es zu erhalten gelte.

Doch der schwankende Pegel ist gerade das größte Problem für die Binnenschifffahrt. Die musste aufgrund der Trockenheit faktisch seit Ende Mai letzten Jahres eine Zwangspause einlegen, die von einigen Ausnahmen abgesehen erst in den letzten Tagen beendet werden konnte.

Das in den letzten 20 Jahren systematisch gesunkene Transportvolumen ging noch weiter zurück. Die Reedereien machten Verluste und mussten weitere Schiffe verkaufen. Zu den wichtigsten Transportgütern zählt neben Schüttgut auch großräumige Fracht wie Turbinen oder Tanks, die zu den wichtigsten Exportgütern Tschechiens gehören.

Vorbereitung verschlang Millionen

Entsprechend groß war die Erleichterung bei Reedern und der Wasserstraßendirektion über die Entscheidung der Regierung. RVC-Sprecher Jan Bukovsky weist darauf hin, dass das Elbtal schon heute Landschaftsschutzgebiet ist. „Es macht keinen Sinn, neue Regeln aufzustellen, welche den Bau von Verkehrsprojekten nur immer weiter verteuern und in keinem Verhältnis zum erreichten Schutz für die Lebewesen stehen“, sagt er. Bisher hat die Vorbereitung des Baus bereits über 22 Millionen Euro gekostet.

RVC hat nun angekündigt, die Dokumentation für die Umweltprüfung zügig vorzulegen. Das war bereits vor über einem Jahr zugesichert worden.

Aus dem sächsischen Umweltministerium heißt es dazu immerhin: „Wir werden mögliche Umweltauswirkungen deutlich benennen.“ Dazu zählen aus sächsischer Sicht „negative Auswirkungen auf den Fischbestand und Beeinträchtigungen der Elbebiber- und Fischottervorkommen“ sowie eine „Verfehlung der Wasserrahmenrichtlinie“.

Ob der fehlende Natura-2000-Schutz Bestand haben wird, hängt nun von der Europäischen Kommission ab, der gegenüber sich Tschechien ursprünglich zur Ausweisung des Gebietes verpflichtet hatte. Möglich sind Strafzahlungen in Millionenhöhe und eine nachträgliche Anerkennung des Gebietes. Umweltschützer Palenik befürchtet aber schon jetzt negative Auswirkungen auf die strategische Umweltprüfung. „Der Druck auf das Umweltministerium, dem Bau zuzustimmen, ist erheblich gestiegen“, sagt er.