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Eis in Sicht

SZ-Redakteur Stephan Schön spricht über die ersten Tage an Bord des Forschungsschiffs Polarstern. Gemeinsam mit sächsischen Forschern ist er auf dem Weg zum Nordpol.

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© Stephan Schön

Von Jana Mundus

Journalismus auf hoher See. Das ist ein ständiges Auf und Ab. Bei meterhohen Wellen die richtigen Tasten auf dem Computer zu tippen, ist schwierig. SZ-Wissenschaftsredakteur Stephan Schön begleitet seit vergangener Woche eine Expedition des Forschungsschiffes Polarstern in die Arktis. Ihn an Bord zu erreichen, ist nur über Satellitentelefon möglich. Am Mittwoch meldete er sich bei seinen Dresdner Kollegen. Die waren neugierig.

... ist SZ-Redakteur Stephan Schön via Satellitentelefon mit der Redaktion in Dresden in Kontakt.
... ist SZ-Redakteur Stephan Schön via Satellitentelefon mit der Redaktion in Dresden in Kontakt. © Thomas Kretschel
Manuela van Pinxteren und Sebastian Zeppenfeld vom Leipziger Tropos-Institut nehmen im Schlauchboot etwa 500 Meter von der Polarstern entfernt Wasserproben. Wasserdichter Überlebensanzug und Rettungsweste sind dabei Pflicht. Die Forscher fangen biologisch
Manuela van Pinxteren und Sebastian Zeppenfeld vom Leipziger Tropos-Institut nehmen im Schlauchboot etwa 500 Meter von der Polarstern entfernt Wasserproben. Wasserdichter Überlebensanzug und Rettungsweste sind dabei Pflicht. Die Forscher fangen biologisch © Stephan Schön

Stephan, wie geht es dem Magen einer Landratte bei hohem Wellengang?

Mir und meinem Magen geht es zum Glück gut. Anderen an Bord aber leider nicht. Wir hatten stürmische See mit bis zu vier Meter hohen Wellen. Für die Crew ist das nicht dramatisch, für manchen Mitreisenden aber schon. Ich beherzige einen Tipp des Schiffsarztes gegen Seekrankheit: Komischerweise hilft nämlich, genug zu essen gegen die Übelkeit. Diese Aufgabe ist einfach zu bewältigen, weil es hier sehr gutes Essen gibt – immer mit Nachtisch. Das wird sich im Nachhinein beim Blick auf die Waage wahrscheinlich rächen.

Ihr seid seit über einer Woche unterwegs. Kannst du bei der Schaukelei überhaupt schlafen, und musst du dich dabei anschnallen?

Ich kann schlafen. Wenn vielleicht auch nicht so gut wie daheim im Bett. Anschnallen muss ich mich dabei aber nicht und bin noch nicht aus dem Bett gefallen. Gerade beim Telefonieren ist das anders. Der Hocker der Telefonzelle ist per Seil gesichert.

Gibt es so etwas wie eine vorgeschriebene Nachtruhe an Bord?

Nein. Aber die Wände zwischen den Schlafkammern sind sehr dünn. Da ist es wichtig, dass alle Rücksicht nehmen. Wenn ich noch schreiben will, bin ich aber eh in meinem Büro auf dem oberen Deck.

Du bist aber nicht nur Journalist auf der Expedition, sondern auch Hilfskraft für die Wissenschaftler. Was musstest du schon machen?

Mit an Bord sind 55 Forscher, die meisten davon aus Sachsen. Ich unterstütze die Wissenschaftler vom Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung. Für sie habe ich zum einen Kisten geschleppt. Zum anderen war ich beim Start eines Wetterballons dabei. In einer der nächsten Nächte soll ich solch einen Ballon allein starten. So ein Teil kostet um die 100 Euro. Da darf nichts schiefgehen. Deshalb muss ich auch wissen, wo ich den zehn Meter großen Tropos-Ballon anfassen darf und wo nicht. Und nie die rote Leine ziehen, sonst entweicht das Helium!

Bald erreicht ihr das Eis der Arktis. Ist es noch weit?

Wir sind an Spitzbergen vorbeigefahren, und eben haben wir die ersten Eisbrocken im Wasser gesichtet. Am Donnerstag und Freitag werden wir in das Eis hineinfahren und uns eine große Scholle suchen, wo wir das Schiff festmachen können. Dann wird geforscht.

Konnten sich die Leipziger an Bord gut auf alles vorbereiten?

Ja. Sie haben auch schon eine Art Ballondrachen am Heck des Schiffs befestigt, der Daten sammelt. Den Tropos-Forschern geht es um die Wolkenbildung und die Frage, was in der Arktis für unser Wetter in Mitteleuropa passiert. Andere Forschergruppen werden mikroskopisch kleinste Lebewesen im Eis untersuchen oder nehmen vom Schlauchboot aus Wasserproben und suchen darin nach Mikropartikeln.

Bei der Arbeit draußen wird es sicherlich sehr kalt. Hast du die warmen Sachen griffbereit?

Meinen Überlebensanzug hatte ich schon im Schlauchboot an, die dicke Steppjacke brauche ich schon jetzt an Deck. Den speziellen Arktisanzug habe ich mir aber für die Scholle aufgehoben. Dort können bis zu minus 20 Grad Celsius sein.

Und dort können auch Eisbären sein ...

Ja, aber laut Schiffsmannschaft gab es mit denen bisher noch nie Probleme. Trotzdem muss schon bei kleinen Gruppen von fünf Leuten immer einer mit Gewehr dabei sein. Wir haben an Bord noch ein Waffentraining für die Eisbären-Wache absolviert.

Bleibt den Forschern und dir bei all der Arbeit noch Zeit für Entspannung?

Die Silbe „Ent-“ kann man sich hier sparen. Es herrscht ständig Spannung, richtige Arbeitsatmosphäre. Zeit zum Plaudern bleibt höchstens beim Essen.

››› Alle Beiträge der Serie gibt es unter www.sz-link.de/expedition