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Einraumwohnung hinter Gittern

Nach einer umfangreichen Sanierung ist das einstige Bautzener „Gelbe Elend“ jetzt eine Vorzeigeeinrichtung in Sachsens Strafvollzug.

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Von Marleen Hollenbach

Ein Bett, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank, ein Bücherregal, ein großes Fenster und ein kleines Bad. Die Hafträume im Bautzener Gefängnis erinnern eher an eine einfache Studentenbude oder eine Jugendherberge als an eine Zelle. Nur das große Schloss an der massiven Zimmertür und die Gitter vor den Fenstern verraten, dass hier weder Touristen noch Studenten wohnen. In den sanierten Einzel- und Zweibettzimmern werden bald Gefangene unterkommen. Und die leben hier so komfortabel wie niemals zuvor.

Nicht luxuriös, aber durchaus komfortabel. In den Einzel- und Doppelzimmern der JVA finden die Insassen gute Bedingungen vor. Auch ein Fernsehanschluss gehört dazu.
Nicht luxuriös, aber durchaus komfortabel. In den Einzel- und Doppelzimmern der JVA finden die Insassen gute Bedingungen vor. Auch ein Fernsehanschluss gehört dazu. © kairospress
Einst als „Gelbes Elend“ bekannt, ist die JVA Bautzen zu einem Vorzeigeobjekt geworden. Die Häuser I und II der Justizvollzugsanstalt sind nach umfänglicher Renovierung übergeben worden. Die Einrichtung verfügt jetzt über 414 Haftplätze.
Einst als „Gelbes Elend“ bekannt, ist die JVA Bautzen zu einem Vorzeigeobjekt geworden. Die Häuser I und II der Justizvollzugsanstalt sind nach umfänglicher Renovierung übergeben worden. Die Einrichtung verfügt jetzt über 414 Haftplätze. © kairospress

Einst als „Gelbes Elend“ verschrien, hat sich die JVA zu einem Vorzeigeprojekt der sächsischen Justiz entwickelt. In den vergangenen sieben Jahren investierte der Freistaat über 37,2 Millionen Euro in den Umbau und die Sanierung von zwei Hafthäusern und die Erneuerung der Gefängnismauer. Nun sind die Baumaßnahmen abgeschlossen. Die JVA Bautzen verfügt jetzt über 414 Haftplätze. Das sind knapp 160 mehr als vor dem Umbau. Und diese Plätze werden dringend benötigt.

„In Dresden und in Zwickau haben wir eine Überbelegung. Wir sind froh, dass einige Häftlinge von dort nach Bautzen kommen können“, sagt Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU). Auch Straftäter aus Torgau sollen ins Bautzener Gefängnis verlegt werden. „Die Torgauer JVA ist in einem schlechten Zustand und muss dringend saniert werden“, so Gemkow. Der Justizminister war gestern zur Baufeier nach Bautzen gekommen, um sich die fertigen Gefängniszellen selbst anzusehen.

Und das Ergebnis überzeugte ihn. „Für die Gefangenen wurde eine Umgebung geschaffen, die sie motiviert, sich zu verändern“, sagte er. Dazu gehören Gruppenräume genauso wie Sportangebote und mittlerweile sogar ein eigener Fernsehanschluss im Zimmer.

Übertrieben sei das keinesfalls, meint der Justizminister. „Wir müssen bedenken, dass diese Gefangenen irgendwann wieder unsere Nachbarn sind. Wenn sie sich während der Haft unwohl fühlen, werden sie nicht zu besseren Menschen“, erklärt er. Es geht um Humanität, um Menschlichkeit und Würde – selbst für jene, die eine Straftat begangen, vielleicht sogar anderen Menschen geschadet haben. „Vor allem unser Haus 1 ist nicht mehr wiederzuerkennen“, sagt Bernhard Beckmann, Leiter der JVA Bautzen. Wie es in dem Gebäude noch 2011 aussah, das weiß Vizechef Oliver Schmidt. „Wo jetzt ein heller Gang ist, gab es eine große Galerie. Man konnte vom fünften Stock bis ganz nach unten schauen“, erklärt er. Er erinnert sich an den Lärm, an Gefangene, die sich über mehrere Etagen hinweg anschrien. Auch Gegenstände seien da schon einmal durch die Luft geflogen. Die Häftlinge lebten zu viert oder zu fünft in einem Zimmer. Das gehört der Vergangenheit an. Im sanierten Hafthaus sind die Etagen getrennt. 90 Prozent der Gefangenen sind in Einzelzellen untergebracht. Die restlichen Häftlinge leben in Doppelzimmern.

Noch besser sind die Zimmer im Haus 2 ausgestattet. Von 2011 bis 2014 wurde dieses Gebäude entkernt und neu gestaltet. Wer hier unterkommt, der hat schwere Gewalttaten oder ein Sexualverbrechen begangen und seine Haftstrafe eigentlich schon abgesessen, gilt aber als zu gefährlich, um entlassen werden zu können. Laut Gesetz muss sich die Sicherheitsverwahrung deutlich von der gewöhnlichen Strafe unterscheiden. Deshalb verfügt ein Bewohner hier über einen 20 Quadratmeter großen Wohnbereich mit eigener Dusche. Es gibt einen Freizeit- und einen Therapiebereich. Jedes Jahr aufs Neue haben die Gefangenen eine Chance auf Entlassung. Das entscheidet ein Gutachter. Im schlimmsten Fall bleibt ein Gefangener bis zu seinem Lebensende hier. Derzeit gibt es in Sachsen 30 männliche Sicherungsverwahrte. Sie alle leben in Bautzen. Die JVA könnte noch zehn weitere aufnehmen.

Doch nicht nur in die Hafthäuser wurde investiert. Bis vor Kurzem waren die Bauarbeiter auch damit beschäftigt, eine neue Gefängnismauer zu errichten. Die alte war fünf Meter hoch, die neue hat einen Meter mehr. Vorschrift ist Vorschrift. „Die Schwierigkeit bestand darin, dass wir morgens nur so viel abreißen, wie wir abends schließen konnten“, sagt Norbert Seibt vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement. Schritt für Schritt wurden auf diese Weise das 1 444 Meter lange Mauerwerk erneuert. Bauen bei laufendem Betrieb, das war eine Herausforderung für alle. „An vielen Tagen passierten mehr als 40 Baufahrzeuge die Schleuse“, sagt JVA-Leiter Bernhard Beckmann. Bei diesen Bedingungen noch für Sicherheit zu sorgen sei ein enormer Aufwand gewesen. Sieben Baujahre liegen hinter dem Gefängnischef. Sieben Jahre ohne Zwischenfall.