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Einmal Heuschrecke vom Grill bitte!

Mexikanische Lokale werben mit einer PR-Aktion für exotische Gerichte. Den Dschungel haben die Insekten aber nie gesehen.

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© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Es ist eine Vorspeise mit gehobenem Gruselfaktor: Bei einer regionalen Kette mexikanischer Restaurants in Dresden, Leipzig und Chemnitz können Gäste ab sofort Insekten naschen: Zur Auswahl stehen Wanderheuschrecken mit gelb-schwarzer Musterung, dunkelbraune Grillen mit dünnem Panzer und Larven vom Großen Schwarzkäfer. Die toten Tierchen werden in der Pfanne angebraten, in Öl und Gewürzen geschwenkt und dann auf Nachos mit verschiedenen Soßen serviert, erzählt der Marketing-Chef der Espitas-Restaurants Marcel Goldberg.

Die „Dias de insectos“ (Insektentage) beginnen nächsten Mittwoch und sollen vier bis sechs Wochen dauern. „Je nachdem, wie lange der Züchter uns mit Nachschub versorgen kann.“ Die Köche haben den Termin parallel zur neuen Dschungelcamp-Staffel bei RTL gelegt, die ebenfalls nächste Woche beginnt – und bei der das Knabbern von krabbelndem Getier oft zu den Ekel-Prüfungen gehört. Die sächsischen Restaurant-Insekten haben indes nie einen Dschungel gesehen. Sie werden vom Berliner Futtertierversand Hintze in großen beheizten Terrarien gezüchtet, schockgefrostet und streng kontrolliert in die Küchen geliefert. Anbieter Carsten Hintze sei einer von nur zwei Züchtern, die für den Lebensmittelmarkt zertifiziert seien, sagt Goldberg. Er beliefert bundesweit die Gastronomie, vor allem aber Zoos, Universitäten und private Züchter, die Insekten für ihre Tiere benötigen.

Den Heuschrecken entnehmen die vom Küchenchef geschulten Köche bei der Zubereitung die Flügel und die hinteren Sprungbeine. Heuschrecken zu essen, koste zwar die meiste Überwindung, räumt Goldberg ein. „Sie haben aber am meisten Fleisch und erinnern an Shrimps.“ Bei einer kleinen Kostprobe stellte sich ohnehin heraus, dass die Tiere zwischen Dips und Nachos keinen allzu starken Eigengeschmack haben bzw. ein wenig an Nüsse erinnern. Einen gemischten Teller mit allen drei Sorten gibt es für knapp acht Euro. Goldberg sieht sich bei der PR-Aktion auch als Kulturbotschafter: „Gebratene Insekten gehören zu den traditionellen Gerichten der mexikanischen Küche und werden dort auch an Straßenständen verkauft“, betont er. Diese Esskultur wolle er den Menschen in Mitteldeutschland näherbringen. Dazu habe er die in Mexiko am meisten verbreiteten Sorten ausgesucht. Der Verzehr von Insekten kommt seit Jahren auch in Europa immer mehr in Mode. Erste Insekten-Kochbücher sind bereits auf Deutsch erschienen, zudem gibt es Süßigkeiten und Drinks mit Käfer-Einlage. Viele Arten gelten als sehr eiweißreich und fettarm. Die Weltgesundheitsorganisation FAO propagiert sie daher seit Jahren als gesunde Lebens- und Futtermittel: Sie könnten bei der Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung eine wichtige Stütze bilden.

„Insekten tragen zur Ernährung von etwa zwei Milliarden Menschen bei und waren seit jeher Teil der menschlichen Ernährung“, argumentiert die FAO. Mehr als 1 900 essbare Insektenspezies würden weltweit konsumiert. „Die Menschen beißen zurück“, heißt eine zentrale Publikation der Uno-Organisation. Sie setzt neben den gesundheitlichen auch auf die ökologischen und sozialen Vorteile von Insekten.

Die mexikanischen Restaurants wollen indes nicht die Welt retten. Sie rechnen erstmal nur mit ein paar Hundert Neugierigen in ihren Häusern.