Merken

Eine tapfere Familie

Welsings aus Dippoldiswalde verloren bei einem Brand alles. Nun wird ihr Haus wieder aufgebaut. Bald ist Einzug.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Mandy Schaks

Blumen räkeln sich in der spätherbstlichen Sonne. Nachbarn halten einen kleinen Schwatz über den Gartenzaun, während Pferde auf den Wiesen grasen. Nur hin und wieder dringt ein Hämmern ins Ohr. Margot Welsing, eine kleine Frau, wuselt übers Grundstück, dirigiert Fahrzeuge durch die engen Zufahrten, ruft Bauleuten etwas zu. Dann streicht sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn, schaut auf die Uhr und sagt: „Ich muss mich jetzt erst mal umziehen. Alle Ihre Fragen werden beantwortet sein, wenn Sie meine Rede hören.“ Sagt’s, dreht sich um und verschwindet in dem Rohbau hinter ihrem Rücken. Margot und Heinrich Welsing aus Dippoldiswalde möchten eigentlich gar nicht im Mittelpunkt stehen. Das lässt sich nach der Katastrophe am Nachmittag des 24. Juni, einem herrlich warmen Sommertag, aber nicht vermeiden.

Dicke Rauchwolken stiegen am 24. Juni über dem Wohnhaus von Familie Welsing auf. Ihr Heim brannte bis auf die Grundmauern nieder.
Dicke Rauchwolken stiegen am 24. Juni über dem Wohnhaus von Familie Welsing auf. Ihr Heim brannte bis auf die Grundmauern nieder. © Egbert Kamprath

Der Enkel wollte dem Opa helfen und unter seiner Aufsicht das Unkraut mit einem elektrischen Brenner bekämpfen. Da stand plötzlich das Carport in Flammen. „Das ist bis heute unerklärlich“, sagt Margot Welsing. Und mit tränenerstickter Stimme hinzu: „Der Junge hat keine Schuld.“ Von einer Minute auf die andere war im Leben des Rentnerehepaares nichts mehr, wie vorher. Das Feuer griff aufs Wohnhaus über. „Innerhalb einer Stunde war unser Hab und Gut, waren alle Erinnerungen ein Raub der Flammen.“

Dass sie das Unglück überlebten, den schweren Schicksalsschlag verkrafteten – Margot Welsing ist über 60, ihr Mann Heinrich sogar 83 und ohnehin nicht bei bester Gesundheit –, daran haben viele Menschen Anteil. Nachbarn, Feuerwehr, medizinische Rettungskräfte, alle halfen. „Wir sind in unendlicher Dankbarkeit.“ Dass sie aber heute, vier Monate nach der schrecklichen Brandkatastrophe, wieder vor ihrem Haus stehen, grenzt an ein Wunder.

Und das haben Welsings selbst wahr gemacht. „Von Anfang an war unsere Devise: Wir bauen das Haus wieder auf“, sagt sie. Die Kraft dazu haben ihnen Bauunternehmer sowie Haus- und Hofhandwerker gegeben. „Wir sind ihnen alle, vom Meister bis zum Lehrling, unendlich dankbar, dass wir sagen können, das wird unser Haus. Sie heilen hier Wunden von kaputten Seelen“, sagt Margot Welsing in ihrer Rede zum Richtfest. Sie kämpft immer wieder mit den Tränen, wenn sie zum Beispiel davon spricht, wie überwältigend die Anteilnahme an ihrem Schicksal war.

Als Oberbürgermeister Jens Peter kurz nach dem Unglück ein Spendenkonto einrichtete, meldeten sich von überall her Leute. Margot Welsing hat einen Kloß im Hals, als sie davon erzählt, wie schwer es fiel, die Hilfe anzunehmen. „Früher sind Leute zu uns gekommen und wollten etwas“, erinnert sie sich. „Und wir haben niemanden von der Schwelle geschickt.“ Auf einmal war es anders. „Wir hatten ja nur noch unsere Gartenklamotten.“

Wenn Margot Welsing auf den Überweisungen einen Namen entdeckte, versuchte sie, mit den Spendern Kontakt aufzunehmen. So war es auch bei Andreas Liebscher, einem Dippoldiswalder Bauunternehmer. Er versprach am Telefon: Ihr braucht ein Dach überm Kopf, ich baue das Haus. „Das war schon bissel eine Herausforderung“, gibt er zu. Denn die Auftragsbücher sind zurzeit rappelvoll – nicht nur bei ihm. „Aber bei so einem Schicksalsschlag muss man doch helfen.“

So wie er dachten viele. Eine Schlüsselrolle kommt auch dem Dippoldiswalder Ingenieurbüro Ruhsam und Ullrich zu. Sie besorgten die alten Bauunterlagen vom abgebrannten Haus im Landratsamt. Das Heim der Welsings sollte vom Grundriss her wieder so aufgebaut werden, wie es bis zum 24. Juni stand. Und nicht nur das. Bauingenieur Dirk Weigelt gab sein Wort: „Weihnachten seid ihr wieder drin.“

Und alle zogen mit, vom Planungsbüro bis zu den Baufirmen, die in vier Wochen den Rohbau hochzogen. Selbst die Baugenehmigung, die sonst im Schnitt drei Monate dauert, war vom Landratsamt innerhalb von drei Wochen da. Weigelt bleibt dabei: „Der Weihnachtsbaum wird hier aufgebaut.“ Das ist ehrgeizig, doch alle wollen, dass es klappt. Sie freuen sich mit den Welsings auf bessere Zeiten.