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Eine Kanadierin in Sachsen

Seit März lebt Sofie Wassmer in Meißen. Die Marketingexpertin kehrt mit diesem Schritt ins Land ihrer Vorfahren zurück.

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© Andreas Weihs

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Wer Sofie Wassmer trifft, erlebt eine junge Frau, die nur so vor Energie sprüht. „Hallo, na wie geht’s“, sagt sie zur Begrüßung in ihrer freundlichen und sympathischen Art. Obwohl das eigentlich nichts Ungewöhnliches ist, merkt man irgendwie schnell, dass sie nicht aus der Gegend kommt. Diese Erfahrung hat Wassmer auch schon selbst gemacht.

„Bei meinen Touren durch die Stadt habe ich immer ein älteres Pärchen getroffen und ebenfalls ‚Hallo‘ gesagt. Die beiden haben sich zwar gefreut, aber mich auch gefragt: ‚Sie sind wohl nicht von hier? Das sagt sonst nämlich niemand‘“, erinnert sie sich. Und tatsächlich hat das Pärchen damit nicht unrecht.

Denn obwohl die Anfang-30-Jährige beinahe fehlerfrei Deutsch spricht, stammt sie eigentlich aus Kanada und lebt erst seit März in Sachsen. Während viele Deutsche ins Land der Elche und endlosen Wälder auswandern, hat Wassmer den umgekehrten Weg gewählt. Ihr Traumziel hatte seit Langem nur einen Namen: Meißen. Und das hat auch einen ganz bestimmten Grund.

„Ich wollte gern zurück zu meinen deutschen Wurzeln“, sagt sie und fügt an: „Meine Großeltern stammen aus Meißen-Bohnitzsch und Weinböhla, sind aber bereits tot. Ich habe aber noch eine Großtante und eine Tante, die in Meißen wohnen, was die Eingewöhnung erleichtert hat“, so Wassmer. Stellt sich die Frage, wie es die Familie dann angesichts dieser tiefen Verwurzelung im sächsischen Stammland einst nach Kanada verschlagen hat? „Meine Eltern sind in den 1960er Jahren im Alter von 15 und 19 Jahren aus Deutschland ausgewandert, weil ihre Eltern preiswert eine Farm kaufen wollten, was hierzulande schwierig war. Sie haben das aber unabhängig voneinander getan und sich erst in Kanada kennengelernt.“

In einem kleinen Ort der französischsprachigen Provinz Quebec wird Sofie Wassmer schließlich in den 80er Jahren geboren und verbringt dort eine sorgenfreie Kindheit mit einer großen sprachlichen Vielfalt. Während im Alltag Französisch dominiert, spricht sie mit ihren Eltern Deutsch und mit dem pakistanischen Mann und den Kindern ihrer Tante Englisch.

Pegida schreckt nicht ab

Um die Sprache zu pflegen und sich die Möglichkeit offen zu halten, mal in Deutschland zu arbeiten, besucht Wassmer bereits während ihrer Schulzeit acht Jahre lang jeden Sonnabend Deutschkurse. „Ich hatte damals nicht immer Lust, weil man ja am Wochenende auch mal Freizeit haben möchte. Rückblickend bin ich aber froh, dass ich es getan habe“, sagt sie. Nach dem Marketing-Studium an der McGill-Universität in Montreal arbeitet sie neun Jahre lang für ein großes Technologieunternehmen in Toronto, bevor sie beschließt: „Ich möchte ins Ausland. Und zwar nach Deutschland.“

Der Kontrast könnte dabei sowohl beruflich als auch kulturell nicht größer sein. Von der multikulturellen Metropole Toronto, in der 50 Prozent der Bewohner im Ausland geboren wurden, ins bodenständige Meißen mit beinahe gar keinen Ausländern sowie vom Großunternehmen mit Hierarchien und langen Entscheidungsprozessen ins kleine, wendige Dresdner Start-up webZunder mit jeder Menge Gestaltungsspielraum. „Ich finde das sehr spannend, weil ich gern meine persönliche Komfortzone verlasse, um mich Herausforderungen zu stellen“, sagt Wassmer. Abgeschreckt haben sie dabei auch nicht die Medienberichte über den „Heimatschutz“ in Meißen oder Pegida in Dresden.

„Man hört natürlich davon, aber am Ende hat die Neugier überwogen, das Land meiner Vorfahren kennenzulernen.“ Und das bietet im Vergleich zu Kanada einige Vorzüge. „Bei uns darf man auf öffentlichen Plätzen keinen Alkohol trinken. Daher mag ich es, wenn die Menschen auf dem malerischen Meißner Marktplatz ihr Glas Wein genießen“, sagt Wassmer, die zudem das breite kulturelle Angebot in der Domstadt mit Weinfest oder spanischem Abend in der Klosterruine genießt, das sich im Gegensatz zu Kanada ohne langen Anfahrtsweg erreichen lässt.

„Es ist einfach wunderbar, dass hier alles so dicht zusammenliegt. Ohne Probleme kann man von Weingut zu Weingut ziehen. Das ist schon eine wunderbare Gegend“, sagt die Kanadierin lächelnd.