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Eine Brücke bricht weg

20 Jahre lang setzte sich die Brücke/Most-Stiftung für deutsch-tschechische Verständigung ein. Damit ist jetzt Schluss.

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© Steffen Neumann

Von Steffen Neumann

Um Spenden wird gebeten, steht auf dem Plakat für das Sommerkonzert der Brücke/Most-Stiftung. Doch nur noch eine Großspende könnte die Stiftung retten. Kommt sie nicht, war das die letzte Veranstaltung in der Jugendstil-Villa in Dresden-Blasewitz. „Wir haben noch externe Buchungen für Seminare und Workshops. Aber Ende August ist hier endgültig Schluss. Unsere eigenen Veranstaltungen finden schon jetzt auswärts statt“, sagt Geschäftsführer Peter Baumann. Die Brücke/Most-Stiftung hat nach 20 Jahren Engagement für die deutsch-tschechische Verständigung angekündigt, ihr operatives Geschäft zum Jahresende einzustellen. Nicht, weil es für deutsch-tschechische Begegnungen keinen Bedarf mehr gäbe, sondern wegen der „Niedrigzinspolitik der EZB“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

Stiftungen verfügen über einen Stiftungsstock, der durch Anlagen Erträge abwirft. Daraus werden im Sinne des Stiftungszwecks Projekte gefördert, laufende Kosten getilgt oder Stipendien vergeben. Die Brücke/Most-Stiftung wurde von der Familie Köser mit einem Stiftungsstock von rund vier Millionen Euro ausgestattet. Für sie sieht die deprimierende Rechnung so aus: Standen vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 noch 240 000 Euro pro Jahr zur Verfügung, sind es jetzt jährlich nur noch 100 000. Und die Erträge fallen weiter. Langfristige Anleihen, die noch zwei und mehr Prozent ausspucken, laufen aus. Und auf neue gibt es nur noch wenig über null Prozent. „Das heißt, wir werden absehbar immer weniger Geld zur Verfügung haben“, so Baumann. Jahr für Jahr hat die Stifterfamilie den Fehlbetrag ausgeglichen. Damit ist nun Schluss.

10 000 Besucher jedes Jahr

Dabei ist die Situation nicht neu. Bereits vor sieben Jahren warnte einer der Stifter, Helmut Köser, vor dem drohenden Ende der Tschechisch-Deutschen Kulturtage. Sie sind mit über 10 000 Besuchern jedes Jahr im November eines der kulturellen Highlights in Dresden und Umgebung. Damals konnte das Aus durch eine stärkere Beteiligung des Freistaats abgewendet werden, der das Festival inzwischen mit jährlich 80 000 Euro unterstützt. Weiterer Hauptsponsor ist der Tschechisch-Deutsche Zukunftsfonds. Zumindest für den Erhalt dieses Festivals zeigen sich die bisherigen Sponsoren gewillt, eine Lösung zu finden, teilen Freistaat und Stadt Dresden mit.

Peter Baumann sieht das mit gemischten Gefühlen. Es sei gut, dass sich für das Festival eine Lösung abzeichne. „Doch die Arbeit der Stiftung umfasst weit mehr.“ Sie erstreckt sich auf Jugendbegegnungen und Bildungsarbeit jenseits von Bier und Knödel.n „So eine Arbeit ist in der Regel defizitär“, so Baumann. Diesen Teil der Arbeit langfristig und kontinuierlich zu unterstützen hat der Freistaat stets abgelehnt, nennt Baumann den zweiten Grund, warum die Lichter in der Brücke-Villa nun ausgehen.

„Die öffentliche Hand verfügt nicht über die Möglichkeit, jährlich auflaufende Verluste von Stiftungen privaten Rechts durch Zuführung von Fördermitteln abzubauen“, entgegnet Staatsministerin Eva-Maria Stange (SPD), die auch im Kuratorium der Stiftung sitzt. Im Übrigen seien sinkende Zinserträge ein Problem für alle Stiftungen. Darauf verweist auch Martin Speer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, der ohne den Fall Brücke/Most zu kennen, sagt, dass die Mehrzahl der Stiftungen mit der Situation konstruktiv umgehe. „In Einzelfällen mussten Stiftungen aber aufgeben“, räumt Speer ein.

„Wir sind aber eine aktive Stiftung, die nicht nur fördert, sondern über Projektanträge Mittel vervielfacht“, wehrt sich Geschäftsführer Baumann und verweist auf bereits getätigte Sparmaßnahmen in den letzten Jahren, die die Zinsverluste aber nicht auffangen konnten. Er ist vom Freistaat enttäuscht: „Die Stifterfamilie hat über die Jahre zwölf Millionen Euro in Sachsen investiert. Das würde in anderen Bundesländern mehr honoriert.“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn spricht vor diesem Hintergrund von einem „fatalen Signal für das deutsch-tschechische Verhältnis“. „Gute nachbarschaftliche Beziehungen sind hart erarbeitet. Der Fortbestand der Stiftung darf nicht an 200 000 Euro scheitern“, fordert er.