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Ein ziemlich guter Job

Nicole Martens und Stefan Moc laufen als Wachpolizisten in Bautzen Streife. In den Revieren sind sie Gold wert.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Der weiße Hundefänger dort hinter den Büschen ist verdächtig. Er steht nicht auf dem Parkplatz am Bautzener Stausee, der an diesem kühlen und windigen Nachmittag fast leer ist, sondern ein ganzes Stück abseits im Gelände, dort, wo normalerweise gar kein Auto mehr hinkommt. Und er steht ziemlich nahe an dem Trampelpfad, der hinauf zum Flüchtlingsheim führt, zu eben jener Stelle, an der im letzten Winter drei Jugendliche ein paar selbst gebastelte Molotow-Cocktails übern Zaum geschmissen hatten. „Warum steht der denn nicht auf dem Parkplatz?“, fragt Stefan Moc seine Kollegin. „Ja, warum nicht?“, fragt Nicole Martens zurück. Ein kurzes Nicken und die beiden Polizisten marschieren auf das Auto zu.

Nicole Martens und Stefan Moc sind keine „richtigen“ Polizisten. Auf den Schulterstücken ihrer Uniformen steht „Wachpolizei“. Sie haben nur eingeschränkte Befugnisse. Sie haben „Personen und Objekte zu bewachen“, wie es im Polizeideutsch heißt. Sie dürfen Kontrollstreifen fahren zu Asylbewerberheimen oder vor Schulen, sie dürfen auf Leute aufpassen, die gerade in der Gewahrsamszelle sitzen oder zur Grenze abgeschoben werden. Würden sie feststellen, dass der Mann dort hinten im Hundefänger, der die beiden Polizisten jetzt auf sich zukommen sieht, Dreck am Stecken hat, dann müssten sie ihre Kollegen rufen.

Ausbildung ist kein Zuckerschlecken

Als Polizisten zweiter Klasse fühlen sich die beiden jungen Zittauer dennoch nicht. „Wir merken doch, wie dringend wir hier gebraucht werden“, sagt Stefan Moc. Das scheint auch der einhellige Ton in den Revieren zu sein. „Die Kollegen sind für uns wirklich Gold wert“, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup. Zwar bräuchte die Polizei in der Oberlausitz deutlich mehr voll ausgebildete Polizisten, aber jeder weiß, dass die längst nicht mehr in der benötigten Zahl zur Verfügung stehen.

Wachpolizisten gesucht

Die dreimonatige Ausbildung für Wachpolizisten läuft noch bis zum Herbst 2019. Jeweils imFebruar, Mai, August und November werden bis zu 100 neue Bewerber am Ausbildungszentrum der Polizei in Bautzen eingestellt. Vorher absolvieren sie einen Eignungstest.

Interessenten können sich über das Internetportal der sächsischen Polizei bewerben.

Fragen zur Ausbildung und zum späteren Wachdienst beantwortet die Berufsberaterin der Polizeidirektion Görlitz, Maren Steudner, unter der Rufnummer 03581 4682042. [email protected]

www.polizei.sachsen.de

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Nicole Martens legt die Hand an die Pistole. Genau so, wie sie das in ihrer Ausbildung gelernt hat. Die Ausbildung zum Wachpolizisten ist kein Zuckerschlecken. Drei Monate Crashkurs an der Bautzener Polizeischule, zwölf Wochen lang kompaktes Training von morgens bis abends: Rechtskenntnisse, Psychologie, interkulturelle Kompetenz, Erste Hilfe, Fahrausbildung an Dienstfahrzeugen, Polizeiarbeit, Selbstverteidigung, Sport, Gebrauch einer Schusswaffe. „Die Ausbilder haben uns wirklich nicht geschont“, sagt Nicole Martens. „Wir hatten in den drei Monaten genau so viele Schießstunden wie die voll ausgebildeten Kollegen in drei Jahren.“ Und wer nur eine der Prüfungen nicht besteht, ist raus. Im Lehrgang von Nicole Martens und Stefan Moc haben alle bestanden. Der Rest ist jetzt eben „learning by doing“.

Seit 1. Februar sind die beiden Zittauer bei der Polizeidirektion Görlitz angestellt. Sie gehören zu den ersten 26 frisch ausgebildeten Wachpolizisten, die die PD bisher eingestellt hat. Bis zum Jahresende sollen es 60 sein. Fast alle kommen sie aus der Region und wollen auch hier bleiben. Auch das ist Gold wert, sagt Thomas Knaup. Wie alle anderen haben auch Nicole Martens und Stefan Moc die Option, nach einem Jahr Dienstzeit als Wachpolizist in eine reguläre Ausbildung zum Polizeibeamten einzusteigen, die dann nur noch zwei statt drei Jahre dauert. Für beide steht schon von Anfang an fest, dass sie das tun werden.

Traumjob gefunden

„Polizistin war eigentlich schon immer mein Traumjob“, sagt Nicole Martens, gelernte Industriekauffrau. Als sie erfahren hatte, dass Sachsen Wachpolizisten sucht, musste sie nicht lange überlegen, erzählt die 27-Jährige. Stefan Moc hat mal Bäcker gelernt und zuletzt als selbstständiger Vertreter gearbeitet. Kein so sicherer Job als der, den er jetzt hat. „Und auch längst kein so guter“, fügt der 29-Jährige hinzu.

Die rechte Hand noch immer an der Pistole bedeutet Nicole Martens dem Fahrer des weißen Kastenfahrzeugs jetzt, die Seitenscheibe zu öffnen und die Papiere zu zeigen. Sie funkt die Kollegen in der Zentrale an, gibt Namen, Geburtsdatum und Autokennzeichen durch. Stefan Moc behält den Fahrer im Blick und sichert. Die Personenabfrage über den Polizeicomputer ergibt keine Auffälligkeiten. Der Fahrer sagt, dass er sich nur eine ruhige Stelle gesucht habe, weil noch eine Stunde Zeit bis zu einem Termin ist. Das klingt glaubhaft.

Nicole Martens kann die Hand wieder vom Griff ihrer P 7 nehmen. Zum Glück, sagt sie, hat sie die Pistole bisher noch nie gebraucht. Auch den Schlagstock, den Pfefferspray und die Handschellen nicht, die sie genauso wie ihre „richtigen“ Kollegen am Koppel trägt. Sie hätte keine Angst vor einer Konfrontation, ist die junge Wachpolizistin sich sicher. „Wir sind in der Ausbildung auch auf solche Situationen gut vorbereitet worden“, sagt sie.

Eine große Hilfe

Die Streifenfahrt kann weitergehen. Martens und Moc sind an diesem Nachmittag in Bautzen eingeteilt: Asylbewerberheim Spreehotel, jüdischer Friedhof, Asylunterkunft Greenpark, Heim für minderjährige Flüchtlinge – „gefährdete Objekte“, so steht es im Einsatzplan. Orte, an denen immer mal wieder irgendetwas passiert.

So wie letzte Nacht im Greenpark. Ein Flüchtling hat randaliert. Feuerlöscher sind von der Wand gerissen, eine Tür ist kaputt. Der Heimleiter will Anzeige erstatten. Eine Anzeige aufnehmen dürfen die Wachpolizisten nicht. Sie funken die Kollegen an. Eine Streife wird dann gleich vorbeikommen, sagen sie dem Heimleiter. Er kennt das schon. Ihm müssen die beiden Wachpolizisten nichts über ihre Befugnisse erklären.

Bei dem Unfall im Oberland kürzlich war das anders. „Wir sind zufällig dazugekommen“, erzählt Stefan Moc. „Wir haben geholfen, die Unfallstelle abzusichern. Dann mussten wir den beiden Fahrern sagen, dass wir nicht diejenigen sind, die jetzt den Unfall aufnehmen, sondern dass sie dafür noch auf eine andere Streife warten müssten.“ Die beiden Fahrer hätten mit dem Kopf geschüttelt und einer hätte gefragt, ob denn die Polizei zu viele Leute habe, dass sie sich das leisten kann. Da musste der 29-Jährige schon mal grinsen.

Stefan Moc nimmt es gelassen. Wenn er heute Abend wieder gemeinsam mit den „richtigen“ Kollegen vom Einsatzzug ein Fußballspiel absichert, dann wird niemand einen Unterschied merken. Die auch stark kritisierte Idee, mit der Innenminister Marcus Ulbig das Personalproblem in Sachsens Polizeidienststellen auf schnelle Art lösen will, scheint zu funktionieren. „Wir sind vielleicht nicht die Lösung“, sagt Stefan Moc, „aber wir sind eine große Hilfe“. Und es klingt ziemlich stolz.