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„Ein Wolfs-Abschuss ist kein Tabu“

Der Schutz des Tieres muss Grenzen haben, sagt Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt im SZ-Gespräch.

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© ronaldbonss.com

Ein Wolfsrudel hat vor ein paar Wochen erneut Nutztiere im Landkreis Bautzen angegriffen. Mehr als 150 Schafe und Ziegen soll es in den Dörfern nordöstlich von Bautzen schon gerissen haben. Zuletzt hatte ein Schäfer bei mehreren Angriffen in kurzer Zeit 40 Tiere verloren – trotz hoher Schutzzäune. Bautzens Landrat Michael Harig (CDU) hat jetzt öffentlich gefordert, das Problem-Rudel „entnehmen“ zu dürfen. Abschuss-Forderungen werden auch vom Landesbauernverband und Tierhaltern laut. Und was sagt Sachsens Umweltminister dazu? Die SZ hat Thomas Schmidt (CDU) gefragt.

Ein Wolf aus dem Milkeler Rudel ist in der Nähe von Boxberg in der Oberlausitz unterwegs. Foto: Kontaktbüro Wolfsregion
Ein Wolf aus dem Milkeler Rudel ist in der Nähe von Boxberg in der Oberlausitz unterwegs. Foto: Kontaktbüro Wolfsregion
Wie viele Wölfe braucht es, damit die Art sich selbst erhalten kann? Sachsens Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt (CDU), sagt im Gespräch mit der SZ, dass er diese Frage geklärt haben will.
Wie viele Wölfe braucht es, damit die Art sich selbst erhalten kann? Sachsens Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt (CDU), sagt im Gespräch mit der SZ, dass er diese Frage geklärt haben will. © Ronald Bonß

Herr Minister, waren Sie eigentlich schon mal bei einem Schafzüchter in der Oberlausitz, der seine Tiere vor dem Wolf nicht schützen konnte?

Ja, selbstverständlich. Ich war auch im Bautzener Landratsamt und habe mit dem Landrat gesprochen.

Sie haben aber seinen Antrag auf „Entnahme“, also Tötung, eines besonders problematischen Rudels abgelehnt.

Nein, das stimmt so nicht. Nicht wir entscheiden, ob ein Wolf entnommen wird, sondern die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises vor Ort. Wir im Ministerium prüfen dann, ob eine solche Entscheidung, wenn sie getroffen wird, auch rechtmäßig ist.

Das war sie im Fall des Rosenthaler Rudels nicht?

Offensichtlich nicht. Deswegen ist die Entscheidung ja auch gar nicht getroffen worden. Die Fachleute im Bautzener Landratsamt haben selbst festgestellt, dass noch nicht alle möglichen Maßnahmen zum Schutz der Herde ausgeschöpft waren. Um einem Wolf seinen Schutzstatus entziehen zu können, müssen zuerst alle Möglichkeiten des Schutzes ausgeschöpft sein. Erst, wenn das der Fall ist, kommt eine Entnahme als allerletzte Möglichkeit in Betracht.

Im Falle des betroffenen Schafzüchters im Kreis Bautzen war der Schutzzaun 1,20 Meter hoch. Zusätzlich hatte er noch Flatterband gespannt – allerdings nicht um das ganze Gehege.

Die möglichen Herdenschutzmaßnahmen waren also noch nicht voll ausgeschöpft.

Aber wie weit kann Herdenschutz denn noch getrieben werden? Ist da nicht irgendwann eine Grenze erreicht?

Die Vorgaben sind – wie schon gesagt – ganz klar geregelt. Sie haben sich auch seit Jahren nicht geändert. Der Wolf ist streng geschützt. Oberste Priorität haben deshalb immer zuerst alle Maßnahmen, die helfen, Nutztiere vor seinem Angriff zu schützen.

Das kostet eine Menge Geld.

Der Freistaat gibt im Durchschnitt rund 300 000 Euro jährlich für die Prävention, den Herdenschutz und die Schadensregulierung aus. Die Summe wird in Zukunft eher steigen. Es ist uns aber wichtig, die Nutztierhalter in jeder Hinsicht zu unterstützen. Sie bekommen Schutzmaßnahmen zu 80 Prozent gefördert und Verluste zu 100 Prozent entschädigt.

Es werden doch aber immer mehr Wölfe, allein in Sachsen haben sich 15 Wolfsrudel und drei Wolfspaare etabliert. Wie weit soll und kann das noch gehen?

Die Frage ist berechtigt. Und wir im Ministerium stellen sie uns auch. Deshalb werden wir in der Umweltministerkonferenz am Mittwoch und Donnerstag dazu beraten. Wir werden dort einen Antrag an die Bundesregierung einbringen mit der Bitte, die Gesamtpopulation einzuschätzen und den Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland zu definieren.

Heißt das, Sie wollen eine Obergrenze für Wölfe?

Tatsache ist doch, dass sich das Wolfsvorkommen in Deutschland sehr dynamisch entwickelt. Das ist aus Sicht des Naturschutzes auch sehr erfreulich und zeigt, dass der strenge Artenschutz sein Ziel erreicht. Wenn der Erhaltungszustand aber ausreichend ist, dann kann der Wolf in seinem Schutzstatus herabgestuft werden. Das ist aber keine Entscheidung, die wir hier in Sachsen treffen können. Es müssten alle EU-Mitgliedsstaaten zustimmen.

Dann wäre die Entscheidung auch einfacher, einen Wolf, der zur Gefahr wird, zum Abschuss freizugeben? Man hat in Sachsen den Eindruck, dass das bisher ein großes Tabu ist.

Ganz eindeutig: Wenn ein Wolf zur Gefahr für den Menschen wird und wenn die Bedingungen dafür gegeben sind, dann ist die Entnahme eines Tieres absolut kein Tabu. Bisher hat es eine solche Notwendigkeit in Sachsen aber nicht gegeben.

Wenn ein einziges Wolfsrudel 150 Schafe in einem Territorium tötet, dann ist die Gefahr also noch nicht groß genug?

Noch einmal: Es gibt ganz klare Regeln für die Entnahme. Die müssen erfüllt sein. Das heißt, zuerst müssen alle erdenklichen Schutzmaßnahmen getroffen werden. Ich kann die betroffenen Nutztierhalter aber auch sehr gut verstehen. Ich kann auch verstehen, dass es dort, wo Menschen in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Wolf leben, viele Ängste gibt. Wir müssen solche Sorgen auch ernst nehmen, selbst wenn viele Ängste unbegründet sind.

Was sagen sie denn den Betroffenen?

Dass sie von uns jede Hilfe erwarten können. Das ist mir auch persönlich sehr wichtig. Ich bin ja nicht nur Umwelt-, sondern auch Landwirtschaftsminister. Wir werden die Schaf- und Ziegenhaltung in der nächsten Förderperiode noch stärker unterstützen. Das steht ganz klar auf unserer Agenda. Ich bin zuversichtlich, dass wir da vernünftige Lösungen finden.

Das Gespräch führte Jana Ulbrich.