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Ein Weihnachtsbaum lohnt sich nicht

Jane Rönsch ist alleinerziehende Mutter zweier Söhne. Für die 39-jährige Dresdnerin ist Weihnachten ein logistischer Kraftakt.

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© Thomas Kretschel

Christina Wittich

Zu Weihnachten wünsche ich mir, dass meine Jungs glücklich sind, und dass sie sich aufgehoben fühlen, egal wo sie sich gerade aufhalten. Wir entsprechen ganz bestimmt nicht dem klassischen Bild von Familie – Mutter, Vater, Kind. Bei uns ist es eher Mutter, Sohn, Sohn, Hund. Manchmal auch nur Mutter, Sohn, Hund. Manchmal auch nur Mutter und Hund. Ich bin zufrieden mit unserem Modell und meine Kinder kennen es nicht anders.

Matthis und Marlo sind zwölf und fünf Jahre alt. Matthis lebt zwei Tage in der Woche bei seinem Vater. Der wohnt nicht weit entfernt von uns. Manchmal kommt er vorbei, repariert was, hilft im Haushalt, trinkt einen Kaffee. Wir kommen gut zurecht. Ganz selten essen wir sogar zusammen oder unternehmen etwas zu dritt oder viert. Die meiste Zeit aber leben wir nach dem Kalender. Damit unsere Familie funktioniert, muss sich jeder an seine Termine halten. Spontan treffen wir uns praktisch nie. Im Moment gibt es ein paar kleinere Ausnahmen. Matthis‘ neuer Computer steht in meiner Wohnung. Zusammen mit einem Schulfreund spielt er dort. Danach geht er aber zu seinem Vater. Das ist in Ordnung. Ich freue mich, wenn ich auch mal meine Ruhe habe.

Marlos Vater lebt in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben uns getrennt, weil ich nicht mitziehen wollte, weil ich fand, ich kann für ihn nicht alles aufgeben, was ich hier habe in Dresden. Ich hätte dann dort gesessen auf dem Dorf, keine Arbeit, keine Möglichkeit, mal wegzugehen, keine Freunde, nur er. Das wollte ich nicht. Also habe ich mich getrennt. Ich denke, er nimmt mir heute noch übel, dass ich ihm seinen Traum von der heilen Mutter-Vater-Kind-Familie zerstört habe. Zu ihm habe ich nur ganz pragmatischen Kontakt. Wir schreiben uns Nachrichten, wenn es um Marlo geht, wann er ihn abholt, wann er ihn bringt, so etwas. Alle zwei Wochen verbringt Marlo eine Woche bei seinem Vater in Mecklenburg Vorpommern. Er geht dort auch in den Kindergarten. Seit zwei Jahren handhaben wir das so. Dort hat Marlo praktisch ein zweites Zuhause. Sein Vater hat eine neue Freundin und sie denken wohl auch über Nachwuchs nach. Zumindest hat Marlo so etwas erzählt.

Von beiden Vätern habe ich mich getrennt, als die Kinder jeweils ein Jahr alt waren. Das hat sich immer so ergeben. Dieses eine Jahr habe ich meinen Partnern und mir immer Zeit gegeben, um zu gucken, wie es familiär so läuft, ob wir auch mit Baby und Verantwortung zusammen funktionieren. In beiden Fällen hat es nicht gepasst. Ich trenne mich dann lieber, als zu leiden, und ich rede mir ein, dass es gut war, dass es schon so früh passiert ist. Die Kinder vermissen nichts, weil sie es gewöhnt sind, zu wechseln und hier bei mir nur mit mir zu leben.

Weihnachten wird damit allerdings zu einem logistischen Kraftakt. Das Fest betrifft ja nicht nur die kleine Familie. Die Großeltern hängen ja auch mit drin und wollen ihre Enkel sehen. Heiligabend verbringen Matthis und Marlo bei mir. Es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, wir machen einen Spaziergang und abends packen wir die Geschenke aus. Einen Weihnachtsbaum stelle ich mir nicht mehr in die Wohnung. Das lohnt sich einfach nicht für diesen einen Abend. Ich werde ein schönes Gesteck anfertigen und in mein Zimmer stellen. Das schmücken wir und darunter liegen dann die Geschenke.

In den vergangenen zwei Jahren hat Matthis‘ Vater den Weihnachtmann gespielt. In diesem Jahr wird er das wahrscheinlich nicht mehr tun. Marlo ist schon zu alt dafür. In letzter Zeit kam er häufiger und hat erklärt, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt. Am ersten Feiertag sind meine Jungs dann bei ihren Vätern. Ich hatte die Männer vorher gefragt, wie sie es gern hätten. Geeinigt haben wir uns dann darauf, dass Marlo bis zum 31. Dezember in Mecklenburg ist. Matthis kommt ein bisschen eher wieder. Ich werde in der Zeit meinen Bruder besuchen und mit Freunden ein bisschen feiern, mich mal zurücklehnen, was lesen, spazieren.

Früher hatte ich schon die Vorstellung von einem Weihnachten in Familie, so, wie es immer gezeigt wird im Fernsehen. Die Idee fand ich immer gut. Inzwischen bin ich aber, ehrlich gesagt, froh, dass ich keinen Braten zubereiten muss, dass nichts perfekt sein muss und sich dann doch alle streiten, weil man es nie jedem Recht machen kann. Es geht mir gut damit, dem Klischee nicht zu entsprechen und nicht entsprechen zu müssen.

Bisher gab es nur ein Weihnachten, das ich allein verbracht habe. Da haben wir einen Tag vorher beschert, dann waren die Kinder bei ihren Vätern. Das fühlte sich falsch an. Ich kann mit vielen Abmachungen gut leben, aber wenn ich den 24. nicht hätte, würde mir etwas Wichtiges fehlen.