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Japaner mit Sorbisch-Leidenschaft

Yoshihisa Hagiwara spricht Deutsch, Slowakisch und Polnisch. Nun will er in Bautzen auch noch Sorbisch lernen.

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© dpa

Von Miriam Schönbach

Zaghaft lächelt Yoshihisa Hagiwara. Gleich trifft sich der 20-Jährige mit Freunden zum Essen und ist gespannt, wie seine Sprachkenntnisse vorangeschritten sind. Dabei ist sein Deutsch perfekt. Doch der Japaner mag es exotischer.

Er probiert es an diesem Abend bei sorbischer Hochzeitssuppe – mit Sorbisch. „Dobry dzen! Kak so wam wjedze – Guten Tag. Wie geht es Ihnen“, sagt er. Die Sprache und Kultur der kleinsten slawischen Minderheit sind seine neueste Leidenschaft. Statt mit Sushi und Samuraikunst beschäftigt er sich derzeit mit Osterreiten und anderen sorbischen Bräuchen.

Um die Minderheit im Osten Sachsens besser kennenzulernen, ist Yoshihisa schon zum zweiten Mal nach Bautzen gereist, in die Hauptstadt der Sorben. Noch fällt ihm die Aussprache schwer. „Das Lesen klappt schon. Die vielen Zischlaute muss ich noch ein bisschen üben“, sagt der Gaststudent von der Universität in Halle (Saale). Von den Sorben gehört hat er zum ersten Mal von seinem Professor Goro Christoph Kimura in Tokio. Eigentlich paukte er mit ihm damals Slowakisch und Polnisch an der Sophia-Universität.

„Sprachen interessieren mich. Sie bauen Brücken zwischen den Kulturen“, sagt der junge Mann. Sein Professor, Spezialist für deutsche und europäische Studien, erzählte ihm von den Minderheiten in Deutschland, und mit den Sorben kennt er sich aus. Seine Erzählungen über die „sorubu“ – so der japanische Begriff für Sorben – stacheln Yoshihisa an, ein Auslandssemester in Deutschland zu planen.

Im Februar 2015 stattete er dem Bautzener Jurij Wuschansky seinen ersten Besuch in der Lausitz ab. Nach dem Japanisch-Sorbisch-Wörterbuch fragt er allerdings in der auf sorbische Lektüre spezialisierten Smolerschen Buchhandlung vergeblich. Das Nachschlagewerk hat Keiko Mitani, ebenfalls Professorin an der Universität in Tokio, 2003 herausgebracht. „Das Buch ist leider vergriffen, ein Exemplar gibt es noch im Sorbischen Institut zur Ansicht“, sagt der Gastgeber. Wuschansky nimmt den Neuankömmling unter seine Fittiche. Er zeigt ihm das Sorbische Museum, fährt mit ihm in die sorbischen Dörfer im Städtedreieck Hoyerswerda – Bautzen – Kamenz und spricht die ersten sorbischen Worte mit Yoshihisa. Den Japaner faszinieren die Vokabeln, er findet Ähnlichkeiten zu seinen bereits gelernten slawischen Sprachen und Unterschiede. „Für uns Japaner sind die slawischen Sprachen eine echte Herausforderung“, sagt er und zieht ein Wörterbuch für Niedersorbisch aus seiner Tasche.

Denn Yoshihisa reicht es nicht, das Obersorbisch der Oberlausitzer Sorben zu lernen. Er möchte zumindest auch ein Gefühl für die Sprache der Niederlausitzer Sorben bekommen, das nur noch wenige Menschen rund um Cottbus sprechen. Beide Minderheitensprachen sind sich so ähnlich wie Polnisch und Tschechisch. Die Kulturorganisation Unesco stufte sie im Atlas gefährdeter Sprachen als „bedroht“ ein.

Der Japaner würde es bedauern, wenn die Sprache seiner neuen Freunde verschwinden würde. Auch deshalb will er Zischlaute üben. „Da ich bald nach Japan zurückkehren muss, werde ich wohl selbstständig die Sprachen der Sorben lernen“, sagt er und hofft auf einen Konversationskurs dort. Wuschansky weiß von vier „sorbischen Japanern“. (dpa)