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Ein Handy im Knast – für 30 Euro?

Ein Justizbeamter gesteht, Mobiltelefone ins Gefängnis geschmuggelt zu haben. Es begann als Freundschaftsdienst.

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© Christian Juppe

Von Alexander Schneider

Ein Markt ist dort, wo Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Sei es traditionell an der Ladentheke, virtuell im Online-Shop oder gar hinter vermeintlich sicheren Gefängnismauern. Gerade an letzterem Ort gibt es aufgrund der erzwungenen Knappheit ein besonders großes Bedürfnis nach bestimmten Dingen. Begehrt sind da vor allem Alkohol, Drogen und natürlich Handys. Immer wieder berichten Angeklagte, im Knast sei es sogar leichter an Drogen zu kommen als draußen. Wenn der Preis stimmt, ist selbst hinter Gittern so gut wie alles zu haben.

Ricardo F. ist ein Angeklagter mit Gefängniserfahrung – und sein Fall wirft kein gutes Licht auf den Vollzug. Denn der 53-Jährige hat bisher auf der anderen Seite gestanden. Als Amtsinspektor war er im Stationsdienst der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Dresden. Ein erfahrener Beamter, mehr als 20 Jahre schon arbeitete der gelernte Automechaniker im Strafvollzug. Doch seit Januar steht der Deutsche aus Neustadt in Sachsen wegen Bestechlichkeit vor dem Landgericht Dresden. Laut Anklage hat er Mitte 2012 Schnaps, später Handys und andere Sachen, Tabak und Backpulver, in die Dresdner JVA geschmuggelt. Mehr als 40 Fälle sind aufgezählt. Zwei Gefangene, mit denen F. Geschäfte gemacht hatte, sind wegen Bestechung mitangeklagt und sitzen neben ihrem früheren Schließer.

Als F. vor einem Jahr aufflog, wurde er vom Dienst in der JVA suspendiert. Er wird wohl seinen Beamtenjob und seine Pensionsansprüche verlieren – und für eine Zeit einen Haftraum beziehen müssen. Ricardo F. weiß das. Das Gericht hatte ihm in einer Vereinbarung eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb bis mehr als drei Jahre angeboten. Nun hat F. im Gegenzug die Vorwürfe gestanden und zu erklären versucht, wie er in diese folgenschwere Sache geraten sei. Den Versuch darf man halbherzig nennen. Das Gericht und die Staatsanwältin machten nicht den Eindruck, als habe F. sie überzeugt. So will der Vollzugsbedienstete Handys für jeweils nur 30 Euro in bar ins Gefängnis geschmuggelt haben – ein Spottpreis, wenn man die erheblichen Folgen einkalkuliert, die der 53-Jährige riskierte.

Zwei Alternativen sind daher denkbar. Entweder sind Handys in der Dresdner JVA so weit verbreitet, dass sich tatsächlich nicht mehr als 30 Euro für das Einschleusen der Geräte verdienen lassen. Das wäre die aus Angebot und Nachfrage resultierende Erklärung. Ober es ist weit mehr Geld geflossen – und F. verschweigt das, weil er eine härtere Bestrafung fürchtet oder nicht als „Anscheißer“ gelten will. „Warum haben Sie 30 und nicht 300 Euro verlangt?“, wurde F. mehrfach von der Staatsanwältin gefragt. Eine Antwort erhielt sie nicht. Beweise für die Höhe der Kuriervergütungen hat sie aber offenbar auch nicht.

Verteidiger Andreas Gumprich erklärte, die Sache sei aus Sicht seines Mandanten „aus dem Ruder gelaufen“. F. habe sich 2009 mit einem Gefangenen, dem mitangeklagten Mario G. (49), angefreundet. Zunächst hätten sich die Männer auf eine Tasse Tee in G.s Haftraum getroffen. Ab 2012 habe F. den Gefangenen regelmäßig bei seinen Ausgängen begleitet – und dabei seine Aufgabe als Vollzugsbeamter aus den Augen verloren. Gumprich: „Mein Mandant war eine Art Bezugsperson für den Mitangeklagten.“ Zunächst habe F. seinem „Freund“ Alkohol in die JVA gebracht, später auch ein Handy. Dann habe er für Mario G. weitere Handys eingeschmuggelt. So habe G., der wegen schweren Kindesmissbrauchs knapp acht Jahre verbüßte und daher in der Knasthierarchie ganz unten war, sich bei Mitinsassen Anerkennung erworben, sagte G.s Verteidiger. Später habe auch der Rumäne Ionut P. (34), der dritte Angeklagte in diesem Verfahren, sich von F. Handys einschmuggeln lassen. P. sagte, ihm sei wichtig gewesen, mit seiner Familie in Rumänien zu telefonieren.

Der Prozess wird fortgesetzt. Nun sollen Zeugen der JVA vernommen werden. „Wir haben ein Interesse, diesen Sumpf trockenzulegen“, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Kubista.