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Ein Gerichtspräsident zieht vor Gericht

Der Präsident des Amtsgerichts Dresden, Norbert Röger, klagt in der sogenannten Korruptions-Affäre auf Schmerzensgeld. Das Landgericht hält seine Forderung grundsätzlich für berechtigt.

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Von Karin Schlottmann

Für die sächsische Landesregierung ist die sogenannte Korruptionsaffäre noch lange nicht ausgestanden. Das Landgericht Dresden hält die Schadenersatzforderung von Norbert Röger, Präsident des Amtsgerichts, gegen den Freistaat grundsätzlich für berechtigt. 12500 Euro halte er für angemessen, sagte der Vorsitzende Richter Olaf Becker gestern in der mündlichen Verhandlung. Bis spätestens 4. August müssen Röger und das Innenministerium entscheiden, ob sie diesen Vergleichsvorschlag akzeptieren.

Röger hatte allerdings in seiner Klage ein Schmerzensgeld in Höhe von 250000 Euro gefordert. Er macht Behörden und Ministerien dafür verantwortlich, dass er vor drei Jahren zum prominentesten Opfer des „Sachsensumpfes“ wurde. In obskuren Dossiers des Verfassungsschutzes war er beschuldigt worden, in seiner Zeit als Oberstaatsanwalt in Leipzig übelste Straftaten begangen zu haben: Kindesmissbrauch, Besitz von Kinderpornografie, Strafvereitelung, Geheimnisverrat. Nichts davon ist wahr, stellte die Staatsanwaltschaft später fest.

Aus Sicht Rögers war nicht nur die Beobachtung durch den Verfassungsschutz illegal. Auf bisher unbekanntem Weg hatte die Gerüchtesammlung des Verfassungsschutzes im Sommer 2007 den Weg ins Internet und von dort in zahlreiche Zeitungen, Radio- und Fernsehsender gefunden. Sein Ansehen sei dadurch immens beschädigt worden. Das Land sei für das Leck verantwortlich und müsse dafür haften, fordert er in seiner Klage.

Das sah das Gericht gestern im Prinzip ähnlich, nannte die von Röger geforderte Summe aber in diesem konkreten Fall für zu hoch. Dennoch legte die Zivilkammer sowohl Röger als auch der Landesregierung nahe, den Vergleichsvorschlag anzunehmen. „Es gibt für beide Seiten gute Gründe, diesen Prozess nicht weiter öffentlich zu führen“, warnte Becker. Der Rechtsstreit sei kompliziert, schwer überschaubar und wie der Bundesgerichtshof später einmal entscheiden werde, sei offen. An die Parteien appellierte er, an der Lösung des Falls mitzuarbeiten und sich nicht darauf zu konzentrieren, „Rechtsgeschichte schreiben zu wollen“.

Brisante Beweisaufnahme

Wenn eine der beiden Seiten dem Vergleichsvorschlag nicht zustimmt, geht der Prozess mit einer politisch höchst brisanten Beweisaufnahme weiter. Als möglicher Zeuge kommt unter anderem der heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) infrage. De Maizière war damals sächsischer Innenminister und damit verantwortlich für den Verfassungsschutz. Auch ehemalige Landesminister könnten vom Gericht geladen werden, darunter de Maizières Nachfolger Albrecht Buttolo und Ex-Justizminister Geert Mackenroth (beide CDU). Und der Verfassungsschutz müsste offenlegen, warum die angeblich streng geheimen Dossiers in die Öffentlichkeit gelangen konnten. Interne Vorgänge in einem Prozess offenzulegen, gehört zu den Dingen, die Geheimdienstbehörden gern vermeiden.

Dem Innenministerium wiederum dürfte es schwer fallen, den Vergleich zu akzeptieren, weil die Regierung damit eingestehen würde, einen schwerwiegenden Fehler begangen zu haben. Das ist nicht nur peinlich für Politik und Verwaltung, sondern hätte auch Folgen für weitere Schadenersatzklagen von „Sachsensumpf“-Opfern aus der sächsischen Justiz.

Aber auch Röger hat die Wahl zwischen Pest und Cholera: Stimmt er zu, gilt er wegen der geringen Summe womöglich als Prozessverlierer. Lehnt er ab, droht ein jahrelanger, teurer Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang.