Merken

Ein dreckiges Geschäft

Kleidercontainer in Bautzen und Cunewalde werden seit Wochen nicht geleert. Die Spur führt zu einer dubiosen Firma.

Teilen
Folgen
NEU!
© Uwe Soeder

Von Madeleine Arndt

Es ist wie auf einer Müllkippe: Lumpen liegen seit Monaten in unansehnlichen Haufen rund um zwei Altkleidercontainer an der Schlachthofstraße in Bautzen. Wer den Parkplatz am ehemaligen Penny-Markt nutzt oder die Tierarztpraxis aufsucht, muss an der Dreckecke vorbei. Auch in Cunewalde wird seit Monaten der Altkleidercontainer an der Oberlausitzer Straße nicht geleert. Bettina Klose vom Ordnungsamt hat die verantwortliche Frankfurter Second-Hand-Firma Boex angeschrieben. Doch der Brief kam zurück. Klose ärgert es zusätzlich, dass der Behälter ohne Erlaubnis der Gemeinde aufgestellt wurde. Was sie nicht weiß: Die Container sind Teil eines international aufgezogenen Betrugs. Die Behälter und die Gutgläubigkeit der Spender wurden für Wirtschaftskriminalität im großen Stil benutzt.

Mutmaßlicher Täter ist Christian M., der Geschäftsführer von Boex. Er soll Geschäftsleute in Afrika betrogen haben, in- dem er ihnen gebrauchte, gut tragbare Schuhe verkaufte, aber letztlich Schiffsladungen unbrauchbaren Schuhwerks lieferte. Journalisten des ZDF-Magazins Frontal 21 waren im Frühjahr den Machenschaften der Alttextil-Firma nachgegangen. Sie sprachen unter anderem im Hafen von Mombasa mit einem kenianischen Kaufmann, dem von Boex Schuhe geliefert wurden. Sowohl der afrikanische Kaufmann, der für die angekommene Ware mit 30 000 Euro in Vorkasse gegangen war, als auch der örtliche Vertreter der Deutschen Auslandshandelskammer bezeichneten die Schuhe als Müll und als selbst für die ärmsten Leute nicht tragbar. In der ZDF-Sendung wird auch auf die illegale Art und Weise eingegangen, wie die Second-Hand-Firma ihre Altkleidercontainer platziert. Als Beispiel wird die Stadt Markkleeberg bei Leipzig genannt. Die Stadtverwaltung erklärte, dass Boex-Behälter aufgestellt wurden, ohne bei der Kommune zuvor die Sondernutzungserlaubnis einzuholen. Laut Bundesverband für Sekundärrohstoffe und Entsorgung eine zwielichtige Methode, um schnelles Geld zu verdienen.

Müll nach Afrika verkauft

Seit Februar dieses Jahres sitzt der 39-jährige Boex-Chef in Untersuchungshaft. Wie die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Niesen mitteilt, ist außerdem ein 54-jähriger Lagerist des Second-Hand-Unternehmens angeklagt. Ihnen wird gewerbsmäßiger Betrug sowie Beihilfe zum Betrug in 30 Fällen vorgeworfen. Es handelt sich dabei um Taten, die in dem Zeitraum zwischen Mai 2009 und Februar 2016 begangen wurden. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft geht bei dem Schuhbetrug von einem entstandenen Gesamtschaden in Höhe von 650 000 Euro aus. Derzeit befinden sich die Ermittlungsakten bei der Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichtes. „Die Hauptverhandlung soll am 17. August beginnen“, informiert Niesen.

Die Firma Boex, die sich selbst als eine der größten Alttextil-Firmen Deutschlands bezeichnet hatte, ist seit Mai 2016 pleite. Die mit der Insolvenzverwaltung beauftragte Kanzlei Kübler versucht nun wie bei einem Puzzle, den undurchsichtigen Unternehmensaufbau und die Vertriebswege nachzuvollziehen. Eine große Frage bleibt dabei, wo Boex eigentlich überall seine Sammelbehälter gestreut hat.

„Wir wissen nicht, wie viele Container es in Deutschland sind und wo sie stehen“, sagt Rechtsanwältin Kathrin Brockmeyer von der Kanzlei Kübler. Betriebsunterlagen seien teils vernichtet worden, teils seien sie an Polizei und Staatsanwaltschaft gegangen. Die Frankfurter Anwältin glaubt aber, dass Boex die Altkleidercontainer vor allem im ostdeutschen Raum aufgestellt hat. Diesbezüglich ist sie jedoch auf Hinweise aus den Kommunen angewiesen. Neben Cunewalde und Bautzen stehen in Sachsen nach derzeitigem Wissen der Kanzlei weitere Boex-Container in Dresden, im Wilsdruffer Ortsteil Grumbach, in Oederan, Hohenstein-Ernstthal sowie in Lichtentanne und Rheinsdorf bei Zwickau.

Die Dreckecke bleibt

Die dort deponierte Kleidung wird noch Wochen, wenn nicht sogar Monate vor sich hinmodern. „Wir haben jetzt eine Firma gefunden, die Interesse an den Containern hat“, berichtet Brockmeyer. Bis das Unternehmen die Behälter mit schwerem Gerät bergen kann, dauere es aber noch eine Weile. Die Anwältin empfiehlt betroffenen Grundstückseigentümern, solange das Terrain abzusperren und mit einem Hinweis zu versehen, dass an dieser Stelle keine Altkleider mehr eingeworfen werden können.

In Cunewalde will das Ordnungsamt nun die Behälter zukleben, damit sie nicht überlaufen. In Bautzen hingegen wird die Dreckecke so bleiben, wie sie ist. Mitarbeiter der Stadtverwaltung werden nicht mit Schaufel und Besen anrücken. „Es handelt sich nicht um eine städtische Fläche, daher schreitet die Stadt hier auch nicht ein“, teilte Stadtsprecher Tobias Schilling mit.