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Ein bisschen verrückt

Im Elbsandstein dürfen sich Kletterer nur mit eingeschränkten Mitteln absichern. Geht denn das? Ein Selbsttest.

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© Jürgen Lösel

Von Ronja Münch

Erfahrenen Kletterern aus anderen Teilen der Erde flößt die Sächsische Schweiz Respekt ein. Warum das so ist? Weil als Sicherungspunkte, die mich vor dem Abstürzen bewahren, nur Knoten und Schlingen benutzt werden dürfen. Ganz selten ist mal ein Ring in den Fels geschlagen. Klemmgeräte aus Metall sind verboten. „In der Sächsischen Schweiz fällt man nicht“, lautet deshalb die ungeschriebene Regel. Immer wieder gibt es Unfälle. Erst am vergangenen Wochenende verletzte sich ein Kletterer schwer, als er stürzte und einer seiner Sicherungspunkte herausbrach.

Sicherungspunkte: Neben Rissen können Felsnasen genutzt werden, über die eine Schlinge gelegt wird. Beliebt sind auch „Sanduhren“ genannte Aushöhlungen.
Sicherungspunkte: Neben Rissen können Felsnasen genutzt werden, über die eine Schlinge gelegt wird. Beliebt sind auch „Sanduhren“ genannte Aushöhlungen. © Jürgen Lösel
Knoten: Ein einfacher Knoten im Felsspalt (Sackstich) dient als Sicherung.
Knoten: Ein einfacher Knoten im Felsspalt (Sackstich) dient als Sicherung. © Jürgen Lösel

Die Gefahren sind mir bisher nur bedingt klar gewesen. Ich klettere schon seit ein paar Jahren. Die Grundausrüstung habe ich immerhin: Kletterschuhe, Gurt, Sicherungs- und Abseilgerät, Standplatzschlinge mit Karabiner. Und ich war auch schon im Elbsandstein, bin dort aber nur nachgestiegen. Mein Kletterpartner ist also zuerst auf den Felsen und hat die Sicherungen gelegt.

Den Knoten in den Spalt gedrückt

Jetzt aber habe ich mich entschieden, einen Kurs zur Sicherungstechnik mitzumachen. Dafür sind Vorerfahrungen nötig, manche Kletterschulen geben etwa an, dass der vierte bis fünfte Grad nach sächsischer Skala beherrscht werden sollte, also leichte bis mittlere Schwierigkeit. Kurse bieten der Sächsische Bergsteigerbund für seine Mitglieder und viele private Kletterschulen vor Ort. Zwei Tage kosten um die 200 Euro, teilweise mit Übernachtung. Ich frage bei der Kletterschule von Bernd Arnold an, einem der bekanntesten sächsischen Kletterer. Sven Scholz ist dort Klettertrainer und will mir einen Tag lang zeigen, worauf es beim Vorsteigen im Elbsandstein ankommt. Es geht zum Pfaffenstein. Ziel ist der Förster – ein Gipfel direkt neben der ikonischen Barbarine, die seit 1975 nicht mehr beklettert werden darf, um sie vor dem Verfall zu bewahren.

„Als Erstes schaffen wir uns einen Überblick“, sagt Sven. Er zeigt in einem Kletterführer die Route, die wir zum Warmwerden klettern. Im Elbsandstein ist das Orientieren nicht immer einfach. Kaum Ringe geben Aufschluss über den Verlauf der Kletterstrecke. Sven hat eine Route mit mehreren Kaminstücken rausgesucht, also Felsspalten, in die man sich mit dem ganzen Körper reinpressen muss. Nicht gerade meine Paradedisziplin, für die Sächsische Schweiz aber sehr typisch. Deswegen seien Hightech-Kletterklamotten hier fehl am Platz, sagt Sven. „Die halten nichts aus.“ Einfache Trainingshosen seien sinnvoller.

Sven legt nach vielleicht zehn Metern die erste Sicherung, ein paar Meter weiter kommt ein Ring, von hier holt er mich und einen weiteren Kletterer nach. Ich binde mich also ins Seil und schnaufe mit Anstrengung den Fels hoch, was bei Sven wesentlich entspannter wirkte. Ich bin so mit dem Klettern beschäftigt, dass ich vergesse, mir die Knotenschlinge anzugucken, die Sven in einen Felsspalt geklemmt hat. Das letzte Stück zum Gipfel steigt der Klettertrainer, ohne weitere Sicherungen zu legen. Ich schnaufe hinterher. Die Aussicht vom Förster aber entlohnt, der Blick reicht bis nach Tschechien. Ich bin allerdings froh, dass ich vor dem Kurs schon auf dem einen oder anderen Gipfel gesessen und meine Höhenangst etwas überwunden habe. Sven turnt unterdessen auch mal seilfrei in etwa 30 Metern Höhe herum.

Nachdem wir uns abgeseilt haben, geht es zur Theorie. Sven breitet ein Arsenal an Schlingen, Seilen und Schnüren in verschiedenen Dicken und sogenannte Ufos aus. Letztere sind eine erst wenige Jahre alte Erfindung aus Tschechien: textile Klemmkeile, die sich bei Belastung verbreitern. „Jede Sicherung, die ich lege, sollte hundert Prozent sein“, sagt Sven. Es gebe auch Kletterer, die nach dem Besser-als-nichts-Prinzip legen. „Dann kann ich es auch lassen.“ Er nimmt ein Seil, legt es zur Schlaufe und macht einen Knoten in die Enden, den er platt drückt. Das sei wichtig, erklärt er. Ebenso wie der „Schnippel“, also dass hinter dem Knoten noch ein gutes Stück Seilenden hervorschaut. „Wie ein Kopf“, erklärt Sven. „Linke Backe, rechte Backe, und das ist der Zopf.“ Mit dem Gesicht voran geht es in den Felsspalt, der Zopf dient zum Herausziehen. Mit einem Holzspatel wird der Knoten noch weiter in den Spalt gedrückt. Zieht man nun von unten am Knoten, verbreitert er sich.

Ich soll ein bisschen ausprobieren, wo ich etwas anbringen könnte. Am Boden kommt mir das noch relativ machbar vor. Dann die erste Route. Sven klettert vor, legt Schlingen. Nun bin ich dran: Erst mal nur die Sicherungen angucken, dann einsammeln und selber legen, von oben gesichert. Beim ersten Mal bin ich wieder so mit dem Klettern selbst beschäftigt, dass ich mir die Sicherungen kaum ansehe. Als ich mit eingesammelten Seilen, Schlingen und Ufos wieder unten bin, weiß ich nicht mehr, was wo lag. Das gestehe ich Sven. „Dann leg einfach da hin, wo es dir sinnvoll erscheint“, sagt er. Mach ich. Ich soll mich in jede Sicherung einmal einklinken und reinsetzen, um zu gucken, ob sie hält. Die ersten beiden Knotenschlingen, die ich in eine Felsspalte gequetscht habe, sehen ganz gut aus. Ob ich ihnen einen Sturz anvertrauen würde, weiß ich allerdings nicht. Dann versuche ich, ein Ufo zu legen. Das Prinzip erscheint einfach, aber das Ufo so zu platzieren, dass es hält, während man sich mit einer Hand am Fels festkrallt, ist nicht einfach. Zweimal fällt es mir raus, als ich mich reinsetzen will. Wäre ich also nicht von oben gesichert, wäre ich schon zweimal abgestürzt. Ich werde nervös. Jetzt fängt es auch noch zu regnen an. Ich will aber noch bis oben klettern, den letzten Bandschlingenknoten legen. Ein schmaler Spalt, ich helfe mit dem Holzspatel nach, habe aber vergessen, die Schlinge vorher platt und locker zu machen. Mein Gespatel nützt nichts, beim Reinsetzen rutscht die Schlinge raus. Ich versuche es noch einmal, wieder ohne Erfolg. Der stärker werdende Regen zwingt mich zum Aufgeben.

Fazit: Bei zwei von vier Sicherungen wäre ich abgestürzt. Keine gute Bilanz. Schade, dass der Regen den Kurs unterbrochen hat. Mir fehlt noch viel Wissen, wie ich andere Strukturen als Risse nutze, um Schlingen und Knoten anzubringen. Um sich für das Klettern in der Sächsischen Schweiz im Vorstieg halbwegs kompetent zu fühlen, ist ein mehrtägiger Kurs sinnvoll.