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Ehepaar plündert 89-Jährige aus

Die hilfsbedürftige Nachbarin aus Reichenbach hatte eine Vollmacht für ihr Konto erteilt. Dieses Vertrauen wurde schamlos ausgenutzt.

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© Archivfoto: René Plaul

Von Rocci Klein

Kamenz. Für einiges Aufsehen sorgte jetzt ein Prozess am Amtsgericht in Kamenz. Ein Ehepaar aus dem Haselbachtal war der gewerbsmäßigen Untreue angeklagt. Ein 55-jähriger Kraftfahrer, der Schüler befördert, und seine 40-jährige Frau sollen eine Nachbarin um Geld geprellt haben. Die 89-jährige Reichenbacherin war den beiden Nachbarn vertrauensvoll verbunden, letztlich aber auch ausgeliefert. Die beiden Angeklagten hatten seit September 2013 eine Kontovollmacht von der Geschädigten, die sie mehr als zwei Jahre lang missbrauchten, so die Staatsanwaltschaft. Die Anklageverlesung dauerte 16 Minuten. Es ging um zahlreiche Barauszahlungen an Geldautomaten in Elstra, Kamenz, Pulsnitz, Dresden und Königsbrück.

Die abgezweigten Beträge waren nicht so groß, dass sie gleich mit einem Mal auffielen. Unterm Strich aber stand ein Verlust von immerhin fast 13 600 Euro, den die eigentlich hilfebedürftige Frau zu beklagen hatte. Das Ehepaar, das offenbar permanent in Geldnöten steckt, nutzte die Überweisungen auf das eigene Konto, um Verbindlichkeiten zum Beispiel bei Versicherungen oder beim Pay-TV zu begleichen.

Bereits bei den Ermittlungen und auch im laufenden Verfahren hatte sich die 40-Jährige darauf berufen, selbst keine eigenen Geldtransaktionen durchgeführt zu haben. Davon war auch die geschädigte Seniorin ausgegangen, die nicht extra als Zeugin geladen werden musste. Täter im Sinne der Anklage war damit nur der Ehemann. Für seine Frau käme danach lediglich eine Beihilfe zur Untreue durch Unterlassen in Betracht, hieß es vor Gericht.

Vertrauen mit Füßen getreten

Anklage und Verteidigung zogen sich daraufhin auf ein Rechtsgespräch zurück, dessen Ergebnis auch als „Deal“ bezeichnet werden kann. Eine derartige Absprache läuft meist auf Strafmilderung nach einem Geständnis hinaus. So war es auch hier. Das Verfahren gegen die Ehefrau wurde vorläufig eingestellt – allerdings gegen eine Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 300 Euro, die in sechs Raten zu bezahlen sind. Der geständige Angeklagte erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Kosten des Verfahrens fallen ihm zur Last. Außerdem muss er zwei Jahre lang monatlich 50 Euro an die Geschädigte zahlen – insgesamt also 1 200 Euro. Bereits vor dem Verfahren war ein Teil des Geldes an die Geschädigte zurückgezahlt worden. Wie der gesamte eingetretene Verlust wiedergutgemacht werden soll, blieb vor dem Strafgericht offen. Bei der Strafhöhe wurde die finanzielle Situation der verurteilten Familie mitberücksichtigt, hieß es. Sie bleibt gleichwohl Schuldner der alten Frau, die ihre Forderung nun wohl zivilrechtlich geltend machen müsste. Der 55-jährige Angeklagte bedauerte die Tat: „Es tut mir leid, ich bereue es.“

In der Urteilsbegründung war Amtsrichter Thomas auch auf das Sprichwort „Gelegenheit macht Diebe“ eingegangen. Strafverschärfend sei zu berücksichtigen, dass das über Jahre zur Nachbarin aufgebaute Vertrauen mit Füßen getreten wurde. „Die Zeitabläufe und die Wege weisen klar darauf hin, dass es sich hier um eine gewerbsmäßige Untreue gehandelt hat.“ Deshalb sei die angedrohte Haftstrafe unumgänglich. Sollte der Verurteilte in den nächsten zwei Jahren in irgendeiner Weise mit dem Gesetz in Konflikt geraten, würde er sofort die Haftstrafe absitzen müssen.