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Drogensendung ins Gefängnis

Im angeblichen Schreiben eines Anwalts finden Mitarbeiter der JVA Zeithain Crystal. Kein Einzelfall.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Stefan Lehmann

Riesa. Auf den ersten Blick sieht das Schreiben authentisch aus, das am 27. März 2017 in der JVA Zeithain eingeht. Absender ist ein Riesaer Anwalt, der Brief soll an einen Häftling gehen, den er vertritt. Doch etwas an dem Schreiben kommt den Justizbediensteten verdächtig vor: Der Umschlag zeigt leichte Unebenheiten. Steckt mehr darin, als ein paar Zeilen des Rechtsanwalts? Die Gefängnismitarbeiter gehen auf Nummer sicher, rufen in der Kanzlei an. Der Anwalt reagiert verdutzt. Nein, ein Schreiben habe er in den vergangenen Tagen nicht an diesen Mandanten abgeschickt. Das erhärtet den Verdacht. Der Brief wird geöffnet. In seinem Inneren: das Anwaltsschreiben – und vier Beutelchen mit Crystal.

Der Fall, mit dem sich derzeit das Amtsgericht Riesa beschäftigt, ist keine absolute Ausnahme. Etwas Verbotenes mittels Briefen ins Gefängnis zu schmuggeln, sei „eine Möglichkeit von vielen“, sagt JVA-Sprecher Benno Kretzschmar. Anwaltspost sei da vor allem deshalb eine gern gewählte Möglichkeit, weil sie generell nicht kontrolliert wird. In anderen Gefängnissen hat es schon vereinzelt Fälle gegeben, in denen Anwälte sogar selbst zu Drogenkurieren geworden sind. So wurde 2008 ein Rechtsanwalt in Niedersachsen zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er jahrelang Haschisch an seinen Mandanten geliefert hatte. Zusätzlich wurde ihm noch ein Berufsverbot erteilt.

Meist finden die Mitarbeiter durch Abtasten schnell heraus, ob etwa Drogen ins Gefängnis gebracht werden sollen, sagt JVA-Sprecher Benno Kretzschmar. Eine allumfassende Kontrolle der Postsendungen auf „illegale Einlagen“, so die interne Bezeichnung, finde nur in speziellen Fällen statt: zum Beispiel dann, wenn ein Häftling schon einmal beim Einschmuggeln von Drogen erwischt worden sei. Dann werde seitens der JVA geprüft, inwieweit die Post intern noch einmal kontrolliert werden muss.

Das betrifft übrigens nicht allein Drogen, stellt Kretzschmar klar. Schließlich sind auch Bargeld und Handys im Gefängnis strikt verboten. Geprüft werde auch, inwiefern der Gefangene überhaupt Schuld an der Sendung trägt. „Es kann durchaus vorkommen, dass die Oma zum Geburtstag Geld schickt – so etwas passiert auch mal aus Unwissenheit.“

Wird einem Insassen aber Vorsatz nachgewiesen, dann gibt es Sanktionen. „Wir müssen natürlich reagieren“, sagt Benno Kretzschmar. Finden die Bediensteten Betäubungsmittel, dann werde Strafanzeige gestellt – so wie im Fall des falschen Anwaltsschreibens aus dem März 2017. Der Empfänger übrigens streitet ab, in die Drogensendung involviert gewesen zu sein. „Ich war ja in der Zeit einzeln untergebracht, hatte keine Kontakte zur Außenwelt“, sagt der 34-Jährige. Auch, dass der Brief tatsächlich ein altes Schreiben seines Anwalts enthält, kann er erklären: Seine Sachen habe er von einem Bekannten in einem leer stehenden Haus unterbringen lassen. Nachdem er aus der Haft entlassen wurde, habe die Hälfte seiner Besitztümer gefehlt. Irgendjemand wolle ihm eins auswischen, ist der Mann überzeugt. Und überhaupt, fragt er: „Wie hätte ich denn die Drogen bezahlen sollen?“

Zumindest dieses Argument ist eher schwach: Als die Justizbediensteten nach dem Öffnen des Drogenbriefs seine Zelle durchsuchen, finden sie im Schuh des jungen Mannes auch 20 Euro. Er wusste also sehr wohl, wie er auch im Gefängnis an Geld kommt. Ein Urteil ist noch nicht gefallen, demnächst sollen noch weitere Zeugen gehört werden.

Vollständig unterbinden lässt sich der Schmuggel ins Gefängnis wohl nicht, sagt JVA-Sprecher Benno Kretzschmar. Dazu müsste wohl der Kontakt zur Außenwelt komplett gekappt werden. „Es ist uns aber wichtig, dass die Häftlinge Kontakt nach draußen halten.“ Denn Familie und Bekannte sind diejenigen, die Straftätern nach der Entlassung am ehesten Halt geben können und verhindern, dass diese sofort wieder auf die schiefe Bahn geraten. Bleibt also nur, so oft es geht, mögliche Schwachstellen zu beseitigen, etwa durch besseren Überwurfschutz am Gefängniszaun und intensivere Kontrollen.

Eine Art Katz- und Maus-Spiel, bestätigt Kretzschmar. „Die Häftlinge haben unheimlich viel Zeit, Abläufe zu beobachten und sich Gedanken zu machen.“ Falsche Anwaltspost sei da nur ein Mittel von vielen.