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Dieser Roller ist was Besonderes

Mit 20 kaufte sich Werner Mamitzsch einen Berliner Roller. Mit 77 hält der Sackaer deshalb einen einsamen Rekord.

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Wenn Werner Mamitzsch sich auf seinen Berliner Roller setzt und auf den Kickstarter tritt, macht er eine Zeitreise. Zurück ins Jahr 1959. Er vorn im schicken Anzug mit Schlips und eine hübsche Dame mit Petticoat auf dem Rücksitz. So fuhren junge Leute damals zum Tanz. Nicht mit dem Auto – denn davon gab es damals noch nicht so viele – sondern mit dem Zweirad.

Wer dann einen Roller hatte, war klar im Vorteil. „Damit konnte man zum Tanzen fahren, ohne von unten vollgespritzt zu werden“, erzählt Werner Mamitzsch. Außerdem sahen die Roller schnittig aus, waren modern. Heute würde man sagen: cool. „Da war man der King“, erinnert er sich, und auch daran, dass er nicht so lange darauf warten musste. Gerade mal ein Vierteljahr. „Ich hatte Glück. Wahrscheinlich, weil ich zu der Zeit bei der Armee war.“

Normalerweise wartete man ein Jahr darauf, denn der Berliner Roller war unter jungen Leuten sehr beliebt. Nicht nur wegen des modernen Designs, sondern wegen seiner Leistung: 7,5 PS – heute wenig, damals viel. Der Berliner Roller schafft mehr als 80 km/h. Er hat auch eine eigenwillige Farbe: Koralle. Aber das ist es nicht, was ihn so besonders macht, sondern etwas anderes. Etwas, was Werner Mamitzsch bei einem Roller-Treffen in Schneeberg erfuhr. Bei einem Vergleich der Kfz-Papiere kam zufällig heraus, dass er deutschlandweit den „dienstältesten Berliner Roller im Erstbesitz“ sein Eigen nennt. Bis dahin beanspruchte ein Schneeberger diesen Titel für sich. Doch Mamitzsch hatte eine Kopie des originalen Kaufbelegs dabei. 2 300 DDR-Mark legte er damals für den neuen Berliner Roller auf den Tisch. Doch wichtiger als das ist das Datum: 11. Dezember 1959. „Wenn mich nicht jemand bei dem Treffen in Schneeberg extra darauf angesprochen hätte, hätte ich es gar nicht gewusst, dass ich derjenige bin, der am längsten einen Berliner Roller besitzt“, sagt Mamitzsch. Und das nun schon seit rund 57 Jahren.

„Nach der Wende haben viele ihre Roller billig verschleudert. Ich nicht.“, sagt der Rentner. Zwar habe auch er sich eine schnellere Honda angeschafft, aber seinen Roller zu verkaufen, kam nicht infrage. Der wurde in der Scheune geparkt. „Jetzt bin ich froh, dass ich ihn nicht verkauft habe. Denn heute ist der Berliner Roller Kult.“ Ersatzteile bekomme man leichter, als gedacht. Auf vielen Oldtimermärkten findet Werner Mamitzsch das, was er braucht. Das war vor allem vor sieben Jahren von Nutzen, als er den Roller aus der Scheune holte und wieder fahrbereit machte.

„Mein Berliner Roller hat mich nie im Stich gelassen“, sagt Mamitzsch. Er habe einen zuverlässigen MZ-Motor. Wenn der Rentner heute zu den großen Roller-Treffen nach Ludwigsfelde oder Gera fährt, lädt er das Motorrad auf den Anhänger seines Wohnmobils. Das sei bequemer. Seinem Roller traue er aber nach wie vor viel zu.