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Die unsichtbare Kandidatin

Eine Frau aus Bad Schandau will für die Büso in den Bundestag. Warum lässt sie sich im Wahlkampf nicht blicken?

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Von Gunnar Klehm

Bad Schandau. Vermutlich haben einige schon mal Vertreter der Partei an Info-Ständen in der Pirnaer Innenstadt gesehen. Ein Pro-Russland-Plakat ist meistens dabei. Bei Wahlen ist die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (Büso) aber noch nie über die Kategorie „Sonstige“ hinaus gekommen. Dass sich das in Zukunft mal ändert, dabei will auch Doris Kamke aus Bad Schandau mithelfen. Sie tritt für die Partei als Direktkandidatin im Landkreis an. „Die Zahl der Stimmen, die ich erreiche, ist zunächst zweitrangig. Wichtig ist, dass die Bürger die Bürgerrechtsbewegung Solidarität als eigenständige politische Kraft kennenlernen und in Kontakt mit der Büso bleiben“, erklärt Doris Kamke schriftlich auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung.

Mit solchen Plakaten wirbt die Büso zur Bundestagswahl um Stimmen.
Mit solchen Plakaten wirbt die Büso zur Bundestagswahl um Stimmen. © PR

Auf welchem Weg sich die 49-Jährige und ihre Partei bekannt machen will, ist völlig unklar. Bekannt ist, dass sie in Ratzeburg geboren ist, verheiratet ist und zwei Söhne hat. Seit einigen Jahren wohnt die Pflegehelferin in Bad Schandau. Ansonsten bleibt sie für die Wähler aber unsichtbar. Über die angegebene Telefonnummer war sie direkt nicht erreichbar. Nur ihr Ehemann rief zurück und erklärte, dass sie bisher keinen Wahlkampf machen konnte, weil sie zum Urlaub in Russland weilte und nannte eine E-Mail-Adresse, über die sich Frau Kamke schriftlich zu allen Fragen äußern werde. So war schließlich zu erfahren, dass sie noch bei Wahlveranstaltungen der Büso mit dabei sein, Gespräche führen und Material verteilen werde. Auf Gesprächsangebote der SZ ging sie nicht ein. Ein per E-Mail gesendetes Foto im Mini-Format von 9 KB ist für jegliche Veröffentlichung untauglich. Nach dem Angebot, die Kandidatin aufzusuchen und zu fotografieren, brach der Kontakt ab. Auch bei öffentlichen Foren wie zuletzt in Hohnstein oder Pirna war sie nicht präsent.

Nach Angaben des Mannes ist sie nicht berufstätig. Seit dem Jahr 2000 gehört sie der Büso an. Auch zur Landtagswahl 2014 kandidierte sie bereits als Direktkandidatin im hiesigen Wahlkreis 51. Den gewann bekanntlich Jens Michel (CDU). Doris Kamke erhielt 0,7 Prozent der Stimmen.

Sofortiger Austritt aus der EU

Auf SZ-Anfragen hieß es schriftlich, dass Solidarität hierzulande besonders mit den „Verlierern der Politik“ nach der Einführung des Euros beziehungsweise der Umsetzung der Deutschen Einheit geübt werden müsse. „Das sind vor allem die Arbeitnehmer und späteren Rentner, die den größten Teil der entsprechenden Ausgaben zu stemmen hatten.“ Doris Kamke wolle sich auch um die große Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen kümmern und junge Leute über Förderprogramme in Ausbildung und Beschäftigung bringen.

Das Programm der Büso ist aus ihrer Sicht großartig, insbesondere der Schwerpunkt Wirtschaft. „Die wirtschaftliche Initiative ,Belt and Road‘, auch als Neue Seidenstraße bekannt, steht durch eine eigens hierzu gegründete Entwicklungsbank allen Mitgliedern bei der Entwicklung von Infrastrukturprojekten zur Seite und hat bereits Investitionen – vor allem in Afrika und anderen unterentwickelten Nationen – wirtschaftlichen Aufschwung gebracht.“

Die Partei Bürgerrechtsbewegung Solidarität wurde 1992 gegründet. In ihrem auf der Homepage veröffentlichten Programm befürwortet sie die Nutzung von Atomenergie, will nicht weniger als eine neue Welthandelsordnung, mit der bisherigen Freihandelspolitik brechen, sofort aus der EU und der Eurozone austreten, die Investmentsparte des Bankensystems gesetzlich von dem geschäftlichen trennen und in den Konkurs schicken. Die Büso fordert zudem, den „grünen Kult“ zu stoppen und mit der Lüge der angeblich menschengemachten Klimakatastrophe aufzuräumen.

Jede Stimme kann 85 Cent wert sein

Auch wenn das manche Menschen belächeln mögen, für kleine oder junge Parteien gibt es bei Wahlen tatsächlich mehr Ziele als ein Bundestagsmandat. Parteien erhalten bei Bundestags- und Europawahlen Wahlkampfkostenrückerstattung, wenn sie eine bestimmte Stimmenzahl erreichen. für die ersten vier Millionen gültigen Listenstimmen werden den Parteien jährlich jeweils 85 Cent pro Stimme erstattet. Voraussetzung: Die Parteien haben einen Stimmenanteil von über 0,5 Prozent (bei Europa- und Bundestagswahlen) beziehungsweise über 1,0 Prozent (bei Landtagswahlen). Jede weitere Stimme bringt jährlich 70 Cent. Für die Kommunalwahlen gibt es keine Kostenerstattung. Gruppierungen ohne Landesliste, die lediglich mit Direktkandidaten in Wahlkreisen antreten, erhalten die entsprechenden Beträge pro Wähler, sofern sie wenigstens zehn Prozent der im Wahlkreis abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. So können Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme Parteien und auch Einzelbewerber finanziell in ihrer Arbeit unterstützen, selbst wenn diese den angestrebten Einzug in die Parlamente verfehlen.

Die Büso ist bisher weder im Bundestag noch in einem der Landesparlamente vertreten. Auch von der finanziellen Förderung über Wahlkampfkostenerstattung ist die Partei weit entfernt. Zur Bundestagswahl 2013 erhielt die Büso zwar 17 988 Zweitstimmen, die gingen allerdings gerundet mit 0,0 Prozent in die Statistik ein. Zur Landtagswahl in Sachsen war das Ergebnis mit 0,2 Prozent der Zweitstimmen zwar messbar, aber trotzdem weit unter der Ein-Prozent-Hürde für die Wahlkampfkostenerstattung auf Landesebene.