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Die schöne Fassade bricht zusammen

Trotz zweier offener Bewährungen macht eine Betrügerin aus Radeburg munter weiter. Sie betrügt sogar ihren Partner und ihre Mutter.

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© Archiv/Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Meißen/Radeburg. Es ist wie immer: Reumütig sitzt die 34-jährige Radeburgerin G. auf der Anklagebank, gibt alle Vorwürfe zu. Und wie immer tut ihr alles so leid. Die vierfache Mutter und gelernte Verkäuferin ist eine unglaubliche Betrügerin. Seit 2004 sitzt sie immer wieder vor Gericht, wird verurteilt, auch zu Haftstrafen, die aber immer zur Bewährung ausgesetzt werden. Einmal ist dann Schluss, eine Bewährung wird widerrufen. Sie muss für drei Monate ins Gefängnis. Doch geholfen hat es nicht. Sie macht immer munter weiter.

Ihre Spezialität ist es, sich mit ihren wechselnden Liebhabern in teure Hotels einzumieten und dann nicht zu bezahlen. Gern „verkauft“ sie auch Handys bei Ebay, die sie gar nicht besitzt. Oder bestellt Waren, denkt aber nicht daran, sie zu bezahlen. Obwohl die Frau unter zweifacher Bewährung steht, obwohl sie durch die Straftaten ihren Job verlor, obwohl sie schon jetzt mindestens 18 000 Euro Schulden hat, macht sie weiter. Bestellt Getränke für 214 Euro, denkt nicht ans Bezahlen. Verkauft per Ebay zwei Smartphones für je 155 Euro, die sie gar nicht hat, kassiert die Kohle und gut ist. Da hilft auch die flehende Mail einer Geschädigten nicht: „Das Handy ist für meinen Sohn. Der hat lange darauf gespart.“ Dann bestellt sie bei einem Imbiss acht Gerichte, bekommt sie geliefert, bezahlt sind sie bis heute nicht. Bei einem Einkauf in einem Radeburger Supermarkt für 119 Euro bezahlt G. mit EC-Karte. Nur leider ist das Konto nicht gedeckt.

Das ist nur die Spitze des Eisberges. Es gibt schon wieder neue Anklagen, manche Tatvorwürfe wurden auch eingestellt. So soll sie mit Namen und Kontodaten ihres neuen Freundes bei einem Versandhaus für 581 Euro einen Geschirrspüler ohne dessen Wissen und Zustimmung bestellt haben. Als die neue große Liebe dahinterkommt, ist es auch mit dieser Beziehung vorbei. Selbst ihre Mutter betrügt sie, bestellt auf deren Namen und bezahlt mit deren Kreditkartendaten eine Flugreise. Die Mutter hat die Tochter angezeigt und Strafantrag gestellt.

Die G. lebt seit Jahren deutlich über ihre Verhältnisse, ist chronisch pleite, will ihren ständig wechselnden Liebhabern imponieren, ist süchtig nach Anerkennung, will mehr sein, als sie ist. Deshalb auch legt sie sich mitunter einen Doktortitel zu. Auch deshalb bewirbt sie sich 2011 als sächsische Weinkönigin. Mit ihren vier Kindern wohnt sie in einem Reihenhaus in einer 145 Quadratmeter großen Wohnung. Ihr Ehemann hat sich von ihr getrennt.

Wegen ihrer Straftaten hat sie ihre Arbeit als Verkäuferin verloren. Da arbeitet sie eben schwarz. Auch deswegen gibt es eine Anzeige. Jetzt hat die 34-Jährige Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt. Dabei „vergaß“ sie, eine Nebenbeschäftigung anzugeben. Dass sie den Antrag so spät stellte, liegt daran, dass sie keinen gültigen Personalausweis hat und kein Geld für einen neuen. Auch krankenversichert war sie lange Zeit nicht, weil sie Schulden bei der Kasse hatte. Weitere Verfahren sind anhängig, so in Braunschweig. Auch hier soll sie eine Hotelrechnung für knapp 800 Euro nicht bezahlt haben. In allen Fällen will die Angeklagte den schönen Schein wahren, will geliebt werden, lebt in ihrer eigenen Welt. Jetzt fällt die Fassade krachend zusammen. „Ich wollte meinen Bekannten und meinen Kindern etwas bieten.“

Der Radeburgerin ist klar, dass es jetzt nur noch mit Haftstrafen ohne Bewährung abgehen wird. Verteidigerin Kerstin Peschel greift deshalb zum letzten Strohhalm. Sie will ihre Mandantin psychiatrisch auf eine krankhafte seelische Störung untersuchen und feststellen lassen, ob sie schuldunfähig ist. Staatsanwältin Christine Eißmann tritt diesem Antrag energisch entgegen. Richter Andreas Poth hatte ein solches Gutachten in früheren Verhandlungen immer abgelehnt, sieht jetzt aber keinen Grund mehr für eine Ablehnung. Das Verfahren wird ausgesetzt, die Angeklagte begutachtet. Danach beginnt die Verhandlung neu.