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Die Sache mit der Nächstenliebe

Kirchenleute kritisieren die Spendenaktion „Weihnachten im Schuhkarton“. Berechtigte Sorge oder Konkurrenzdenken?

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Weihnachten ist die Zeit der guten Taten. Die Leute besinnen sich darauf, dass es ihnen gar nicht so schlecht geht. Im Vergleich zu anderen. Auch in Radebeul wollen viele zu Weihnachten etwas abgeben und anderen Menschen eine Freude machen. So etwa die Schüler des Gymnasiums Luisenstift. Sie haben 40 Schuhkartons mit Kleidung, Spielzeug, Schulsachen, Süßigkeiten und Hygieneartikeln gepackt. Die kleinen Kisten sind liebevoll in Geschenkpapier eingewickelt, zum Teil mit Zeichnungen verziert.

Seit vielen Jahren beteiligt sich die Schule an der Spendenaktion „Weihnachten im Schuhkarton“, die notleidende Kinder in Osteuropa mit Geschenken überrascht. Im letzten Jahr kamen allein in Radebeul-Ost und Dresden-Trachau über 500 Schuhkartons zusammen, sagt Jacqueline Noack, die die Aktion hier vor Ort begleitet. Privatleute spenden. Die Grundschule Niederlößnitz beteiligt sich, ebenso der Geschwister-Scholl-Kindergarten und viele andere Einrichtungen. Die Stadtverwaltung wirbt im Amtsblatt für die Aktion.

Doch es gibt Stimmen, die das kritisieren. Nicht das Engagement der Spender, die etwas Gutes tun wollen. Die Kritik richtet sich gegen die Organisation hinter dem Spendenaufruf und deren Absichten. „Weihnachten im Schuhkarton“ scheine keine reine Geschenkaktion zu sein, sagt Andreas Schuppert, Sprecher des Caritasverbands für das Bistum Dresden-Meißen. „Geschenke für bedürftige Kinder werden als Werbemittel für Missionsaktivitäten eingesetzt“, sagt er. Die starke Betonung des christlichen Aspekts richte sich auch an Kinder anderer Religionen, was von Nicht-Christen als respektlos empfunden werden könnte.

Hinter der Spendenaktion steht die evangelikale-freikirchliche Organisation „Geschenke der Hoffnung“. Diese habe ein missionarisches Anliegen, das in der Öffentlichkeit zu wenig kommuniziert wird, erklärt Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Jacqueline Noack aus Radebeul kennt diesen Kritikpunkt. Sie sagt, dass die Aktion zwar einen christlichen Hintergrund hat. Die Kinder bekämen die Geschenke allerdings unabhängig von ihrer Religion. In den Gemeinden vor Ort werde das Angebot gemacht, an einem Glaubenskurs teilzunehmen. Dieser sei aber freiwillig. Es gehe darum, den oft sehr armen Kindern eine Freude zu machen.

Allerdings legt die Organisation in jeden Schuhkarton ein Heft, in dem mit kindgerechten Zeichnungen und Texten von Jesus Christus erzählt wird. „Die Geschichten, die ich dir erzähle, stimmen und sind wahr“, heißt es darin. Weiter steht in dem Heft, dass alle Menschen gesündigt hätten. Jetzt bräuchten sie Befreiung und Vergebung. Jesus rette die Menschen vor der Sünde. Das sind Zeilen, die durchaus einen missionarischen Charakter haben und die Kritik einiger Kirchenvertreter unterstreichen.

Doch auch jene, die die Spendenaktion ablehnen, haben eigene Interessen. Die Diakonie Sachsen zum Beispiel kritisiert, dass die Geschenke den Kindern vor Ort nicht nachhaltig helfen würden. Und empfiehlt im gleichen Atemzug ihre eigene Spendenaktion „Brot für die Welt“. Das zeigt eines deutlich: Hilfsorganisationen buhlen um Spendengelder. Längst sind Spenden zu einem Millionen-Geschäft geworden. Und die Konkurrenz durch zahlreiche Aufrufe ist groß.

Der Verein „Geschenke der Hoffnung“ hat auch das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen und wird von Prominenten, wie dem Schauspieler Samuel Koch, aber auch dem Erzbischof von Wien unterstützt.

In Radebeul werden bis zum 15. November Päckchen bei Familie Beyer in der Gellertstraße 10 angenommen.