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Die Rückkehr der Leichenkutsche

Der Bestatter Jan Tschörtner aus Radeberg setzt auf Traditionen. Eine davon könnte bald wieder zum Stadtbild gehören.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Wird hier ein historischer Film gedreht? Nein, kein Film. Diese schwarze Kutsche mit dem braunen Holzsarg und den zwei kräftigen Pferden im Gespann rollt im Jahr 2015 auf der Straße von Seeligstadt Richtung Radeberg.

Auf dem Kutschbock sitzt Jan Tschörtner, stilecht im schwarzen Mantel und mit schwarzem Zylinder. Jan Tschörtner ist Chef des Radeberger Bestattungshauses Winkler – und die Kutsche ist eine echte Leichenkutsche. Gefertigt in den 1930er-Jahren vom Wagenbauer Erwin Vetter in Wallroda. Jahrzehntelang wurden mit ihr tatsächlich im ländlichen Raum um Radeberg die Toten auf die Friedhöfe gebracht. „Und wir wollen das auf Wunsch nun auch wieder tun“, sagt Jan Tschörtner. Er ist ja längst bekannt dafür, beim Thema Bestattungen auf die Verbindung von Moderne und Tradition zu setzen. Auf Traditionen, die so ganz und gar nicht in die oberflächliche Gedankenwelt der aktuellen Spaßgesellschaft zu passen scheinen, die mit dem Thema Tod nicht so richtig umzugehen versteht. „Aber das Sterben gehört zum Leben, das darf kein Tabu sein“, sagt Tschörtner. Seit Jahren macht sich der Radeberger zum Beispiel dafür stark, dass Hinterbliebene am offenen Sarg Abschied nehmen sollten. „Ich finde das wichtig“.

Und so passt natürlich auch die Kutsche. Die stand schon länger auf seinem Hof – und regelmäßig war er zum Beispiel beim großen Festumzug des Bierstadtfestes in Radeberg damit zu sehen. „Aber die Kutsche gehörte uns nicht, sondern dem Heimatverein Lomnitz“, sagt Jan Tschörtner. Und weil der sprichwörtliche Zahn der Zeit an dem hölzernen Fahrzeug immer ärger nagte, „musste dringend etwas getan werden“. Doch eine Restaurierung ist keine wirklich billige Angelegenheit. „Also habe ich gesagt, bevor wir investieren, würde ich die Kutsche gern kaufen.“ Er wurde sich mit der Gemeindeverwaltung Wachau einig, kaufte die Kutsche und brachte sie nach Seeligstadt. Dort hat der Kutschenhandel Sachsen seinen Sitz, „und das sind echte Fachleute, was die Rekonstruktion historischer Kutschen betrifft“, weiß Jan Tschörtner. Und als er jetzt das Ergebnis sozusagen nach Hause kutschierte, kam er ins Schwärmen. „Ein echtes Schmuckstück ist es geworden, die kaputten Teile sind allesamt ausgetauscht, die Kutsche glänzt in herrlichem, schwarzen Klavierlack – die Räder sind gummibereift und die Bremsen entsprechen den modernen Anforderungen“, zählt er auf. Einen mittleren vierstelligen Betrag hat er in das Schmuckstück investiert, verrät er. „Aber das war es auch wirklich wert“, ist er überzeugt. Natürlich hätte er auch einfach eine neue Kutsche bauen lassen können, „aber diese hat eine Geschichte zu erzählen, das passt“.

Nun hofft Jan Tschörtner, dass die Kutsche auch tatsächlich im Einsatz sein wird. „Es gibt ja hier eine Menge Pferdefans, zahlreiche Reiterhöfe, sicher gibt es da auch eine gewisse Affinität zu Pferden“, ist er überzeugt. Gerade im ländlichen Raum, findet er, könnte diese Tradition durchaus wieder aufleben. Wobei auch in Radeberg die Leichenkutsche durchaus Tradition hat, weiß Jan Tschörtners Großvater – Firmengründer Helmut Winkler. „Die Toten wurden damals zu Hause aufgebahrt, die Familie und die Nachbarn haben sich mehrere Tage lang verabschiedet und dann kam die Kutsche, hat den Sarg zum Friedhof gebracht“, beschreibt er. Hinter der Kutsche lief dann der Trauerzug.