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Die Radiofrau

Die gebürtige Riesaerin Ine Dippmann ist vom Hörfunk noch immer begeistert – nicht nur am Welttag des Radios.

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© Sven Ellger

Von Britta Veltzke

Zuhause angekommen, ging es für die kleine Ine nach einem langen Schultag oft direkt vors Radio – in den 80er Jahren war das. Familie Dippmann lebt wie die meisten Weidaer in einer einfachen Genossenschafts-
wohnung. „Bevor wir einen russischen Junost bekamen, hatten wir lange Zeit überhaupt keinen Fernseher. Es blieben also Bücher und eben das Radio für die Unterhaltung.“ Beides fixiere sie bis heute. „Es gab im DDR-Radio früher herrliche Hörspiele. Ich kann mich genau an den Opener der Sendung erinnern, die ich oft gehört habe: eine Tür quietscht, fällt ins Schloss, dann kommt ein gruseliges Lachen“, erzählt die 42-Jährige, geboren 1975 in Riesa, heute Sachsen-Korrespondentin des Info-Senders MDR aktuell.

Mit Hartnäckigkeit zu Radio PSR

Ihr Berufswunsch ist durch diese frühen Radioerlebnisse jedoch nicht entstanden. „Das kam erst später.“ Im Max-Planck-Gymnasium. In der Schule schließt sie sich einer Tour zum Südwestrundfunk nach Stuttgart an – die Mauer ist inzwischen gefallen. „Unser Sportlehrer Uwe Hoffmann suchte nach interessierten Schülern, die mitkommen wollten.“ Und Ine Dippmann wollte. „Wir konnten mit den Redakteuren sprechen und uns ein bisschen ausprobieren.“ Dabei ist der Funke offenbar übergesprungen. „Zurück in Riesa haben wir ein Schülerradio gegründet: Radio Empire – Em-P, wie Max Planck“, erzählt sie und lacht – so, als würde sie den damaligen Einfall heute etwas albern finden. „Wir haben eine Art Gruß- und Informationssendung gemacht, also eigentlich haben wir vor allem einfach ins Mikrofon geredet und natürlich viel Musik gespielt.“

In den großen Pausen wurde der Schülerfunk über die Lautsprecher in die Klassenzimmer übertragen – der Grundstein ihrer Radiokarriere. „Ich habe mich irgendwann mit einem Kassettenrekorder an die Lautsprecher gestellt, um unser Programm aufzunehmen.“ Damit bewarb sich die damals 18-Jährige nach dem Abitur beim neu gegründeten Radiosender PSR. „Der Chef meinte zu mir, ich solle doch erst mal etwas in die Richtung studieren.“ Na gut, dachte die junge Riesaerin im Jahr 1993 und versuchte ihr Glück an der Uni Leipzig. Sie bekam einen Platz im Diplom-Studiengang Journalistik. „Ich habe es dann später noch einmal bei PSR mit einer Bewerbung für ein Praktikum versucht. Ich bin also wieder hin, nach dem Motto: Ich habe Ihren Rat befolgt, dann können sie mich ja jetzt nehmen. Meine Hartnäckigkeit hat die offenbar beeindruckt.“

Nach dem Praktikum konnte Dippmann bei PSR weiter als freie Mitarbeiterin arbeiten. Auch ihr Volontariat, die Ausbildung zur Redakteurin, absolvierte sie bei dem Privatsender. Bei der ARD landete sie erst zur Jahrtausendwende: erst bei Radio-Fritz in Berlin, dann beim MDR-Jugendsender Jump, später bei MDR aktuell.

Inzwischen hat sie sich in der Drei-Länder-Anstalt zur Korrespondentin für Sachsen hochgearbeitet. „Ein Traumjob!“ Sie liebt die Vielfalt. Ob bei den Ausschreitungen in Heidenau, Pegida- oder Legida-Demos, wenn etwas in Sachsen passiert, sammelt sie vor Ort Antworten – von Spitzenpolitikern, Behördensprechern oder Demonstranten. Auch die Berichterstattung aus dem Landtag ist ihre Aufgabe.

Dass sie ihr Beruf mitunter in brenzlige Situationen bringen kann, musste Ine Dippmann im Januar 2016 erleben. Eine Legida-Anhängerin schlug ihr das Handy weg und versetzte ihr einen Schlag ins Gesicht. „Ziel einiger Personen war es, dass wir nicht mehr über Legida berichten. Das hat eine riesige Trotzreaktion in mir ausgelöst.“ Einen Übergriff dieses Ausmaßes hatte es bei der damals noch wöchentlich stattfindenden Veranstaltung noch nicht gegeben – noch dazu auf die Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Sachsen. Der Vorfall löste eine überregionale Debatte über Gewalt gegen Journalisten bei den Demonstrationen aus. Zeitungen und Sender in der ganzen Republik berichteten über Ine Dippmann. Seit dem Vorfall geht sie nur noch mit einem Personenschützer zu Legida- oder Pegida-Veranstaltungen. „Man darf sich allerdings nicht vorstellen, dass das jede Woche vorkommt.“

Die Heimatstadt auf dem Arbeitsweg

Ausgangspunkt für ihre Radio-Reportagen ist nicht die Landeshauptstadt, sondern Leipzig. Dort lebt sie mit ihrer Familie. Als vor drei Jahren das Angebot für die Stelle als Korrespondentin kam, entschieden sich Ine Dippmann und ihr Mann, in der Messestadt zu bleiben, obwohl der Landtag und auch das Landesfunkhaus in Dresden stehen. Die Kinder, die zu diesem Zeitpunkt längst zur Schule gingen, waren ein Grund. „Unser Lebensmittelpunkt liegt einfach in Leipzig, wo wir fest verwurzelt sind.“ Fast jeden Tag pendelt Dippmann mit dem Zug in die Landeshauptstadt. „Da mein Mann als Freiberufler flexibler ist als ich, kümmert er sich mehr um die Kinder. In dieser Hinsicht sind wir anders organisiert als die klassische Familie.“ An ihren Dresden-Tagen komme sie erst nach Hause, wenn der Abendbrottisch schon gedeckt sei oder die Kinder schon im Bett liegen.

Auf dem Weg zwischen Leipzig und Dresden kommt Ine Dippmann natürlich stets an ihrer Heimatstadt vorbei. „Manchmal wundern sich die Leute, warum der Zug überhaupt in Riesa anhält.“ Dabei erfahre sie leider auch, dass Riesa überregional häufig als braunes Nest wahrgenommen werde – unter anderem wegen des NPD-Verlages Deutsche Stimme. „Das ärgert mich. Ich erzähle dann immer, dass es auch Gegenwind gegen Rechts in Riesa gibt und empfehle, doch einfach mal auszusteigen.“