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Die letzten Sheriffs von Wilsdruff

In Wilsdruff ist die Zahl der Polizisten stetig gesunken. Die drei verbliebenen machen vieles mit Ortskenntnis wett.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Hauke Heuer

Wilsdruff. Die Stadt ist nicht gerade für seine zwielichtigen Gestalten oder als Hort der Kriminalität bekannt. Die Zahl der Einbrüche liegt im landesweiten Mittel. Dennoch hat sich das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Wilsdruffer in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert. Der Grund: Seit der Wende sind immer weniger Beamte in der Stadt stationiert. Waren es 1990 noch zehn Polizisten, die hier täglich ihren Dienst taten, sank die Zahl im Laufe der folgenden Jahre auf fünf.

Seit der Polizeireform im Jahr 2014 halten nur noch drei Beamte in Wilsdruff die Stellung. Volker Nipkau, Armin Hartmann und Uwe Heyn tragen seitdem den Titel Bürgerpolizist. Sie sind die Ansprechpartner für die Bürger vor Ort und sorgen, gleich den Sheriffs in amerikanischen Kleinstädten, für Ordnung, Sicherheit und gesellschaftlichen Frieden.

„Wir sind die Mädchen für alles“, sagt Nipkau und muss lachen. Tatsächlich ist das Aufgabenspektrum der Wilsdruffer Bürgerpolizisten denkbar groß. Die Beamten werden zu Unfällen gerufen, wenn die Wache in Freital keine Kapazitäten frei hat. Erwischt die Gemeinde einen Fahrer mit der Blitzerfalle und der Halter des Wagens kann nicht zugeordnet werden, ermitteln die Polizisten den Raser. Entzieht sich ein Verurteilter seiner Haftstrafe, kommen die drei Männer und machen ihn dingfest. Gibt ein Bürger in Wilsdruff eine Anzeige auf, sitzen die Polizisten hinter dem Schreibtisch.

Alles typische Aufgaben der Polizei, und doch unterscheidet sich die Arbeit der Bürgerpolizisten von der ihrer Kollegen. „Wir kennen die Menschen im Ort persönlich und sind mit vielen schon zur Schule gegangen“, erklärt Hartmann. So befrieden die Beamten nicht selten Nachbarschaftsstreits und verhindern auch dann noch Schlimmeres, wenn der Friedensrichter und die Gerichte mit ihrem Latein am Ende sind. „Manchmal müssen wir sogar zwischen Paaren schlichten, die sich streiten. Wir greifen ein, bevor es zu Handgreiflichkeiten kommt“, berichtet Heyn und fügt hinzu: „Wenn Bürger mit ihren Anliegen zu uns kommen, fragen wir nicht zuerst, ob das in unserer Zuständigkeit liegt, sondern versuchen, zu Helfen und eine Lösung zu finden.“ Darüber hinaus müssen sich die Polizisten mit viel Papierkram herumschlagen. Rund 1 200 Sachverhalte bearbeiten die Beamten im Jahr. Umfangreiche Ermittlungen werden jedoch an andere Dienststellen abgegeben.

Zwischendurch bleibt dennoch Zeit für Streifenfahrten. „Wir versuchen, möglichst viel Präsenz in den Ortsteilen zu zeigen und so Einbrecher abzuschrecken“, erklärt Nipkau. Sollte dennoch fremdes Eigentum verschwinden, wissen die Beamten, die seit über 30 Jahren in der Region aktiv sind, welchen Personenkreis sie genau unter die Lupe nehmen müssen. „Wir kennen unsere Pappenheimer“, sagt Hartmann. Wahr sei aber auch, dass viele, die in jungen Jahren auf Kriegsfuß mit dem Gesetz standen, heute einem geregelten Leben nachgehen.

Polizisten genießen großen Respekt

Es ist wohl auch auf die jahrelange Dienstzeit der Bürgerpolizisten in der Stadt zurückzuführen, dass die drei Männer in Wilsdruff hohes Ansehen genießen. „Den Verlust an Respekt, den heute viele Kollegen beklagen, erleben wir hier so nicht. Wir kommen mit allen sehr gut zurecht. Lediglich mit Menschen, die unter Drogen stehen, ist der Umgang nicht immer ganz so leicht“, stellt Nipkau klar.

Er und sein Kollege Armin Hartmann gehen in den kommenden Jahren in Rente. Die Nachfolger werden sicher einige Jahre brauchen, um einen ähnlich guten Draht zu den Bürgern zu entwickeln. Allerdings werden die neuen Bürgerpolizisten aus der Wache in Freital rekrutiert und kennen sich in der Gegend aus.

Wer sich mit einem Anliegen an die Bürgerpolizisten wenden möchte, sollte zur Sprechstunde immer am ersten Dienstagnachmittag im Monat zum Polizeiposten an der Löbtauer Straße 6 kommen. Doch auch sonst haben die Beamten für die Anliegen der Bürger ein offenes Ohr. Der Polizeiposten ist von Montag bis Donnerstag von 7 Uhr bis 18 Uhr sowie am Freitag von 7 bis 15 Uhr geöffnet.