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Die letzte wahre Drogerie

Es gab in Görlitz mal über 40 – nur die von Niedrigs hat überlebt. Das Ehepaar schaffte das durch immer neue Ideen.

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© Nikolai Schmidt

Von Daniela Pfeiffer

Der Duft ist hängen geblieben. Diese Mischung aus Waschmittel, Tee und Parfüm. Andreas Niedrig ist praktisch in der Drogerie groß geworden. Seine Eltern führten die heutige Drogerie Niedrig am Demianiplatz seit Oktober 1957. Stolz kann Andreas Niedrig mit seiner Frau Simone in dieser Woche also das 60-jährige Jubiläum seines Ladens feiern. Obwohl dieser streng genommen viel älter ist – denn das Geschäft am Demianiplatz gibt es schon seit 1886. Zu den besten Zeiten hatte Görlitz mehr als 40 Drogerien. Heute ist Niedrigs Laden der letzte echte seiner Art. Längst haben eben auch Ketten wie dm erkannt, was die Leute an Drogerien schätzten: dass es Waren des täglichen Bedarfs gibt, aber auch sehr gesundheitsbewusste Kunden hier finden, was sie suchen.

Der Gesundheitsboom hält seit Jahren ununterbrochen an, viele Menschen ernähren sich bewusst, setzen auf Naturmedizin. Manche Familie gebe im Bioladen, der zur Drogerie gehört, ihr letztes Geld aus, sagt Simone Niedrig. Trotzdem merken die Eheleute, dass sie in unmittelbarer Nähe gleich zwei dm-Märkte haben. Aber die Devise sei immer gewesen: Dann müssen wir eben eigene Ideen entwickeln, um uns zu behaupten. Also machten die Niedrigs 1996 auf dem Postplatz das erste Reformhaus der Stadt auf. Hier, wo beim Angebot noch mehr das Augenmerk auf der Gesundheit liegt, ist Simone Niedrigs Reich. Die 54-Jährige hat eigentlich einen medizinischen Beruf gelernt, stieg dann aber auch ins Drogeriegeschäft ein.

Als nächstes kam der erste Bioladen in Görlitz – auch er bei Niedrigs. Diesmal im Stammhaus am Demianiplatz. Das besondere: Hier gibt es sogar erzgebirgische Holzkunst, was dann auch noch den einen oder anderen Touristen in die Drogerie lockt. Doch auch die Görlitzer bleiben mit ihren Nasen gern am Erzgebirgs-Schaufenster hängen und bewundern die schönen Schwibbögen mit Görlitz-Motiven. Die hat sich Andreas Niedrigs selbst ausgedacht und dann im Erzgebirge herstellen lassen. Immer neue Ideen eben. Um die Sache abzurunden und wirklich alle Sparten zu bedienen, folgte die Naturkosmetik. Die gibt es sowohl auf dem Postplatz als auch angewendet im Natur-Kosmetikstudio „hautnah“ direkt über der Drogerie im ersten Obergeschoss. Niedrigs leben das, was sie machen, hundertprozentig selbst. Nahrungsmittel, finden sie, sollten so naturbelassen wie möglich sein. Beide sind seit 15 Jahren Vegetarier, haben Kinder und Schwiegerkinder ebenso davon überzeugt. Sport finden sie wichtig. In der knappen Freizeit geht Simone Niedrig laufen, Andreas Niedrig ist seit 35 Jahren leidenschaftlicher Kletterer. Der 53-Jährige liebt die Felsen der Sächsischen Schweiz. Das mag ein Grund sein, dass das Ehepaar den Himalaya so mag. In Sikkim, einem indischen Bundesstaat zwischen Nepal und Bhutan, stiegen sie 2009 bis zum Himalayapass Goecha La auf fast 5000 Meter Höhe. Nepal ist seitdem ein großes Thema. Mittlerweile engagieren sich Niedrigs in drei Projekten des fernen Landes: der Anschaffung rauchfreier Öfen, Schulbildung für Mädchen und dem Pelmang-Projekt. In dem abgelegenen Dorf haben zuletzt 2016 und 2017 Medizincamps stattgefunden, bei denen Simone Niedrig half. Eine kleine Spendenbüchse für Pelmang steht immer neben der Kasse.

Der Görlitzer Pelmang-Verein wird am Sonnabend auch im Festzelt vor dem Reformhaus dabei sein. Zum Jubiläum will das Ehepaar den Kunden wichtige Lieferanten vorstellen, auch Kostproben gibt es und Überraschungen sind versprochen. Und so dreht sich irgendwie immer alles ums Geschäft, wie Simone Niedrig sagt. Ihr Mann ist jeden Tag von früh bis spät mit Arbeit beschäftigt. Erst recht, seit er noch 2014 die Prüfung zum Heilpraktiker ablegte und 2015 eine Praxis im Obergeschoss des Stammhauses eröffnete. Naturheilkunde hat ihn schon immer so sehr interessiert, dass dieser Schritt nur konsequent war. Wie das alles unter einen Hut zu bekommen ist? „Indem ich mich bei der Drogerie aus dem direkten Verkauf etwas rausgenommen habe“, sagt er. Immerhin hat das Paar neun Mitarbeiter, die mit anpacken. „Und ich gehe kürzer arbeiten“, sagt Simone Niedrig. In ihrem Büro hängen kleine bunte Nepal-Wimpel und Fotos der eigenen Kinder. Sie sind leider weg: die 33-jährige Tochter in Braunschweig, der 30-jährige Sohn in Indien.

60 Jahre Drogerie Niedrig: Jubiläumswoche vom 23. bis 28. Oktober am Demianiplatz 34/35, u.a. mit Reduzierungen bis zu zehn Prozent; Aktionstag zum Lichterglanzfest am 28. Oktober von 18 bis 22 Uhr mit Festzelt vor dem Reformhaus auf dem Postplatz 13 sowie Überraschungen und vielen Köstlichkeiten