Merken

She’s the One

Die 16-Jährige erlitt eine schwere Hirnblutung. Klinik Bavaria und SZ erfüllen der Schülerin nun einen großen Wunsch.

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Kreischa/Dresden. Man kann sich vorstellen, wie Sophie lacht. Das Mädchen, das vor wenigen Tagen 16 Jahre wurde, sitzt still in ihrem Rollstuhl – in einer Art Wachkoma. Sie wurde vor rund zwei Wochen am Kopf operiert. Nervenwasser, das sich am Übergang von Kleinhirn und Rückenmark staute und Druck auf sensible wie lebenswichtige Hirnbereiche ausübt, wurde entnommen.

Sie hat die OP gut überstanden, wartet nun auf ihre Musiktherapie, die zweimal pro Woche stattfindet. Auch dank der Therapie macht sie Fortschritte und reagiert seit einiger Zeit besser auf äußere Reize.

Sophie wird schon seit Februar von den Spezialisten in der Klinik Bavaria im Kreischaer Ortsteil Zscheckwitz betreut. Damals war sie nach einem Krankenhausaufenthalt aus Nürnberg in das Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene überwiesen worden. Nicole Kahnt hat sich oft gefragt, warum ihre Tochter dieser Schicksalsschlag ereilte. Auch die Ärzte hätten bisher keine Erklärung für die Ursache der Hirnblutung, die das Leben des Mädchens und ihrer Familie auf einen Schlag verändert hat.

Die Mutter erinnert sich noch genau an jenen Abend vor etwas über einem halben Jahr in ihrer fränkischen Heimat. Sophie wollte los zur Kirche, zum Weihnachtskonzert. „Sie kam aus ihrem Zimmer und klagte über schlimme Kopfschmerzen“, so die Mutter. „Wir sind gleich ins Krankenhaus, dort wurde die Hirnblutung festgestellt, Sophie wurde notoperiert, lag im Koma.“

Seither ist nichts mehr wie zuvor. In Zscheckwitz wird nun versucht, sie Schritt für Schritt auf das Leben mit der schweren Behinderung vorzubereiten. Zunächst hatte Sophie wochenlang kaum eine Regung gezeigt, hatte auch eine Motivationskrise.

„Es ist natürlich nicht einfach für sie“, sagt ihre Mutter. „Es ist schwierig zu akzeptieren, viel mitzubekommen und nichts machen zu können.“ Sie spreche viel mit ihr. „Hat Sophie aber keine Lust, kann sie das auch zeigen.“ Mag sie etwas nicht, dreht die Teenagerin sich weg. Blinzelt die 16-Jährige bedeutet das Ja. Doch gebe es auch Momente, in denen Sophie sich sichtlich freut. So wie vor ein paar Wochen. Einer der Ärzte aus der Klinik Bavaria hatte von Sophies Leidenschaft für Robbie Williams gehört. Und ebenso davon, dass der britische Weltstar am 26. Juni ein Konzert im Dresdner DDV-Stadion gibt. Nach einer Anfrage beim Veranstalter von der DDV-Mediengruppemachte die Kreischaer Klinik Nägel mit Köpfen. Die SZ stellte zwei Freikarten für Sophie und ihre Mutter bereit, die Klinikmitarbeiter kümmern sich um Hin- und Rückfahrt sowie um die medizinische Betreuung vor Ort. „Es wird ihr erstes Konzert überhaupt sein“, sagt Nicole Kahnt. „Als Sophie davon erfuhr, hat sie sehr positiv reagiert, ihre Augen wurden richtig groß. Wir sind total dankbar für diese Möglichkeit.“ Das Mädchen sei aufgeregt. Es ist der erste Ausflug hier. „Es wird bestimmt laut, wir nehmen zur Sicherheit Ohropax mit“, so die Mutter.

Von Williams Hits finde ihre Tochter die Ballade „Feel“ gut. Eigentlich mag das Mädchen ebenso das rockigere „Let Me Entertain You“. Das Lied habe Sophie einst auf dem Klavier spielen können. Die Zehntklässlerin sang auch in einer Schulband. Doch „Let Me Entertain You“ wird sie sehr wahrscheinlich nie wieder selbst spielen können. Bei der Musiktherapie habe sie zudem eher negativ auf das Lied reagiert, wollte es nicht hören. Immerhin habe sie aber Emotionen gezeigt – ein Fortschritt. Wichtige Reha-Ziele seien, dass Sophie ihre Finger oder Hände bewegen kann, mehr Selbstständigkeit erlangt und vielleicht sogar mal einen Rollstuhl steuern kann. Um die Ziele erreichen zu können, arbeiten Ärzte, Pfleger und Therapeuten in Zscheckwitz Hand in Hand. Wenn Sophie auf etwas reagiert, würde das unterstützt. „Wir achten auf Signale“, sagt Sophies Musiktherapeutin Sabine Krabler. „Auf Mimik, Gesten, Schwitzen, erhöhten Puls wird zum Beispiel reagiert, so kann man in einen Dialog mit den Patienten treten.“

Für Fortschritte ebenso wichtig sei aber Chefarzt Dr. Dirk Faas zufolge besonders, dass Eltern bzw. Verwandte den jungen Patienten zur Seite stehen. So wie es im Fall von Sophie sei. Die Mutter ist aus ihrer Heimat in der Nähe von Nürnberg mit ihrer jüngeren, zweijährigen Tochter zu Sophie gezogen. Der Vater blieb daheim, arbeitet und sucht nach einer neuen barrierefreien Wohnung. Auf der Zscheckwitzer Station 8 gibt es 24 Betten, vier davon für Verwandte. Dieses Angebot sei nicht zu unterschätzen, es werde gut angenommen. Und die Eltern werden vom Klinikpersonal bewusst eingebunden. Denn irgendwann kehren Patienten wie Sophie wieder nach Hause zurück.