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Die harten Jungs von Sitten

Die Demontage des kaputten Windrads bei Döbeln war ein schwieriges Unterfangen. Das lag nicht nur am Wetter.

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© Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Mit einem lauten Rumms kracht um 14.32 Uhr ein Teil des Turmes des abgeknickten Windrades auf das Feld im Windpark Sitten. Es ist der Moment, auf den alle an der Demontage Beteiligten seit Tagen gewartet haben. Denn immer wieder hat es Verzögerungen gegeben.

Das Windrad am Boden

Die Flügel sind zersplittert.
Die Flügel sind zersplittert.
Abgeknickt wie ein dürrer Ast.
Abgeknickt wie ein dürrer Ast.
Der Rotor: Ein Trümmerhaufen.
Der Rotor: Ein Trümmerhaufen.
Alles kaputt
Alles kaputt
Ein vom Wind gefällter Riese. Wie konnte das passieren?
Ein vom Wind gefällter Riese. Wie konnte das passieren?

Die Wetterkapriolen, Schaulustige, die den Untergrund total zerfahren haben, sowie ein Demontage-Stopp haben ihr Übriges dazu beigetragen. Ein Gutachter aus Dänemark ist am Donnerstag tatsächlich wohlbehalten in Sitten angekommen. Er nimmt die Unglücksstelle in Augenschein. Um kurz nach 12 Uhr setzt er sich ins Auto und fährt über den verschneiten Weg wieder weg. Gleichzeitig steigen Daniel Pietschel und Hans Körner von der Firma Rasmus Windkraftservice in den Korb, der am Kran baumelt. Mit an Bord: zwei Gasflaschen. Pietschel hält über Funk Kontakt zum Kranführer. Körner greift unterdessen zum Trennschneider. An der Oberseite setzt er an. Millimeter für Millimeter arbeitet er sich vor. Über den Acker weht ein eisiger Wind. Tatsächlich zeigt das Thermometer nur minus vier Grad Celsius an.

Zwei Kollegen am Boden bleibt nichts anderes übrig als zuzusehen, was Pietschel und Körner in luftiger Höhe treiben. Zumindest fast nichts. Hans Körner, übrigens der Chef der Firma, ruft nach unten: „Nehmt mal das Zeug da weg. Wir müssen gleich ein Teil hier runterschmeißen.“ Geschwind werden ein Notstromaggregat und diverse Werkzeuge zur Seite getragen und ein Radlader weggefahren. Körner hat ein Viereck „ausgeschnitten“. Er und Daniel Pietschel ziehen daran. Es löst sich und fällt mit einem Scheppern zu Boden. Dadurch kann er sich mitsamt der Gondel langsam zur Unterseite des Turms vorarbeiten. Die Köpfe der beiden Männer verschwinden in dem Hohlkörper. Der Kranführer lenkt den Korb auf die andere, noch intakte Seite des Turms. Hans Körner setzt den Trennschneider wieder an. Dichtes Schneetreiben setzt ein. Ab und zu ist von oben ein herzhafter Fluch zu hören. Kein Wunder. Bei dem Wetter möchte wohl niemand gern mit den beiden Männern in dem baumelnden Korb tauschen. Einen dicken Schal bis zur Nasenspitze zu ziehen, ist für sie nicht drin.

Langsam nähert sich die Demontage dem letzten Akt. Mit der Betonung auf langsam. „Scheiße, ich komme nicht ran“, brüllt Hans Körner. Er macht seinen Arm, so lang er kann. Jetzt aber. Es kracht und scheppert. Und plötzlich liegt der Großteil des Turms auf dem Boden. An dem Stück, das noch auf dem Fundament steht, sind deutliche, schwarze, langgezogene Kratzspuren zu sehen. Als sich die Teile lösen, gibt es an der Gondel einen heftigen Rückstoß. Die beiden rüttelt es ordentlich durch. Der Kranführer lässt sie zu Boden – nach zweieinhalb Stunden. Körner kann erst einmal gar nichts sagen. Beim Rückstoß ist er mit der Rippe gegen eine Strebe geknallt. Nach zwei Minuten steigt er aus. „Dazu braucht man echt Eier“, sagt er. Keiner widerspricht.