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Die Graffiti-Jägerin

Jung, hübsch, erfolgreich. Der abgedroschene Spruch trifft auf Maria Gruner in Coswig trotzdem zu. Mit Fotoapparat ist sie unterwegs. Ihr Rezept: Aufspüren, aber nicht immer gleich hart bestrafen.

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© André Wirsig

Von Peter Redlich

Coswig. Jung, hübsch, erfolgreich. Der eigentlich abgedroschene Spruch trifft auf Maria Gruner in Coswig zu. Die 26-Jährige ist Coswigs Graffiti-Jägerin. Sie und ihr Chef, Ordnungsamtsleiter Olaf Lier, sitzen vor einem Bildschirm und klicken eine nicht enden wollende Zahl von Fotos durch. Die Aufnahmen stammen von Maria Gruner. Jedes der Fotos zeigt Graffiti-Schmierereien in Coswig. Zumeist sogenannte Tags – Kennzeichen, Kürzel – von Leuten, die meinen, die Häuser, Betriebshofmauern, Garagentore anderer Leute markieren zu müssen.

Maria ist vom Alter her ziemlich nah dran an den zumeist jungen Leuten, die so etwas fabrizieren. Doch sie ärgert sich maßlos, wie auch viele Bewohner der Stadt, über diese Sachbeschädigungen, wie das offiziell heißt. Der Quadratmeter Reinigung kostet mindestens 100 Euro, sagt Ordnungsamtsleiter Lier.

Zur Jägerin dieser Schmierfinken ist die blonde Frau nicht geworden, weil sie darauf Lust hatte. Der Anlass liegt etwa ein Jahr zurück. Olaf Lier: „Damals nahmen die Fälle von Graffiti-Schmiereien immer mehr zu. Sogar Straßenbahnhaltestellen mitten in der Stadt wurden verunstaltet.“ Von geschädigten Haus- und Grundstücksbesitzern kam wiederholt die Rückmeldung, dass sie zwar den Schaden angezeigt hätten, aber sich nichts tue. Also gab mancher auf und verzichtete auf weitere Anzeigen bei der Polizei.

Das wollten Lier und seine Mitarbeiterin nicht so stehen lassen. Weil Maria Gruner ohnehin regelmäßig mit dem Fotoapparat zu Kontrollgängen zu Ordnung und Sicherheit in der Stadt unterwegs ist, sollte sie zugleich alle Graffitis aufnehmen, den Besitzer des Grundstücks rausfinden und ihn anschreiben. „Wir haben dann auch jeweils ein Formular für die Anzeige mitgeschickt, wo nur noch die Bestätigung mit Unterschrift notwendig war, sodass der Betroffene wenig Aufwand hat.“

Was so an Anzeigen zusammenkommt, ist wesentlich mehr, als der Polizei bisher in die Wache kam. Zugleich bekommt die Kripo so ein sehr genaues Bild, wo etwas gehäuft auftritt. Welche Kennzeichen verwendet werden. Es kann schnell verglichen und auch einfacher ermittelt werden, indem einem oder mehreren Tätern etwas zugeordnet wird. „Nicht zuletzt“, so die Graffiti-Jägerin, „haben wir in unserem Stadtamtsblatt immer wieder auf die Aktion aufmerksam gemacht.“

Mit einem gerade frischen Erfolg: TOS, das in letzter Zeit immer wieder auftauchende Kennzeichen, wurde eindeutig einem Coswiger zugeordnet. Eine Bürgerin hatte ihn beobachtet. Der Täter konnte dingfest gemacht und vor Gericht gestellt werden. Der von ihm teils im Drogenrausch angerichtete Schaden geht in die Tausende.

Maria Gruner und Olaf Lier sind nicht nur hinter TOS her. Ein anderes Tag ist die Zahl 187. Die drei Ziffern stehen für die Hamburger Hip-Hop-Gruppe „187 Strassenbande“. Die Zahl 187 ist ein Codewort der kalifornischen Polizei für Mord. „Scheißegal, ich nehme, was ich brauche“, heißt es beispielsweise im Video der Band, während die Filmschnitte durch eine Plattenbausiedlung flippen.

In Coswig taucht die 187 inzwischen auf der Rückseite von Straßenschildern und an Häuserecken auf. Vorwiegend im Plattenbaugebiet Dresdner Straße. Coswig hat eine Plattenbausiedlung. Weinböhla nicht und auch Radebeul nicht. Deshalb treffen sich Jugendliche hier, um auf dem Handy „187 Strassenbande“ zu gucken und sich anschließend mit dem Edding oder der Sprayflasche stark zu fühlen und Schilder zu beschmieren. Fakten, die die junge Frau im Ordnungsamt zusammengetragen hat.

„Wir finden nicht selten heraus, wer das war. Irgendeiner aus der Clique erzählt immer“, sagt Maria Gruner. Doch neben der Anzeige, die sein muss, gehen sie und der Ordnungsamtsleiter dann auch zu den Eltern und sprechen zusammen mit dem Bengel über die Sachbeschädigung. Was dann mitunter rauskommt, ist nicht selten seit Langem mal wieder ein Gespräch zwischen Mutter, Vater und Sohn. Und: Mitunter auch eine Idee, wie der Schaden wieder gutgemacht werden könnte, ohne dass Söhnchen einen Eintrag ins Jugendstrafregister bekommt.

Olaf Lier: „Es war nicht selten so, dass die Schmierereien Protestreaktionen auf unsensibles Verhalten der Eltern waren. Es wurde nicht mehr miteinander geredet. Der Sohn oder die Tochter suchten eine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen.“ Wer sich als Sprayer austoben möchte, so das Angebot der Stadt, könne sich melden. „Es gibt Flächen“, sagt Lier. Aber dann müsse sich derjenige auch Gedanken machen zu einem gescheiten Entwurf.

Etwa wie es letztlich am Gymnasium Coswig entstanden ist. Hier hatte sich die heimische Dynamo-Szene verewigen wollen. Eine dieser Gruppen nennt sich Szene Coswig 14. „SC14“ steht dann auf Wände gesprüht. Die Sprayer filmten sich dann auch noch fürs Internet und konnten so ausfindig gemacht werden, sagt Maria Gruner und zeigt deren Fotos und die Kommentare dazu auf Facebook.

Mühselige Recherche und Kampf gegen Hässliches in Coswig. Aber mit ersten Erfolgen, mit denen eben auch die Polizei etwas anfangen kann und damit manchem Hausbesitzer hilft.