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Die einsame Rebellin

Als Bürgermeisterin von Seifhennersdorf hat Karin Berndt ihre Schule gerettet. Doch jetzt entmachtet sie ihr Stadtrat.

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© dpa

Von Frank Seibel

Unbeugsam und kämpferisch ist sie. Und dafür wird sie von vielen im Ort bewundert. War sie es nicht, die mit einer Klage das sächsische Schulgesetz gekippt und in der Folge die Oberschule am Ort gerettet hat?

Karin Berndt hat als Bürgermeisterin von Seifhennersdorf mehr als zwei Jahre lang die „Schulrebellen“ auf die Barrikaden getrieben und stand in einem schier aussichtslosen Kampf schließlich als Siegerin da. Doch nun ist der Heldenbonus aufgezehrt, und sie hat ihren Stadtrat gegen sich. Konfliktstoff gibt es reichlich: Ein seit Jahren leer stehendes Kino aus den 1950er-Jahren, hohe Anwaltsrechnungen für die Eltern, die zwei Jahre lang ihre Kinder „illegal“ unterrichten ließen, Planungsaufträge für ein „Tierhotel“ und für die Gestaltung eines öffentlichen Grundstücks … Die Bürgermeisterin macht zu viel auf eigene Faust und teilweise gegen den ausdrücklichen Willen des Stadtrates, sagen ihre Kritiker. Dabei kommt es zu einer ungewöhnlichen Allianz. Wenn es gegen die Bürgermeisterin geht, ziehen CDU und Die Linke schon mal gemeinsam an einem Strang.

Bislang letztes Glied in einer Kette von Streit und Misstrauen ist ein Ratsbeschluss, den Beobachter vor Ort knapp als „Entmachtung“ charakterisieren. Die parteilose Politikerin, Mitglied der „Unabhängigen Bürger Seifhennersdorf“ (UBS), darf nur noch Aufträge im Wert von maximal 2 000 Euro vergeben. Bisher hatte die Hauptsatzung der Bürgermeisterin einen Spielraum von 5 000 Euro eingeräumt. So etwas ist bislang in Sachsen ohne Beispiel, bestätigt der Sächsische Städte- und Gemeindetag.

Und natürlich fällt Karin Berndt zu allererst ein Wort ein: Wahlkampf. Im Herbst endet ihre zweite Amtszeit, und im August wählen die Seifhennersdorfer ihren neuen Bürgermeister – oder noch einmal die Bürgermeisterin. Aber ob sie überhaupt noch einmal antritt, will die 58-Jährige erst „zu einem geeigneten Zeitpunkt“ bekannt geben, und eine Schar von Enkelkindern könnte durchaus ein Anlass sein, beruflich kürzer zu treten. Aber Karin Berndt ist als Handballerin gewohnt, zu kämpfen und dabei auch harte Rempeleien auszuhalten. Und bislang hat sie in Konflikten nie klein beigegeben.

Rüge vom Landratsamt

Dieser Dickkopf wird aus Sicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden Peter Hänsgen zunehmend zu einer politischen Belastung. So sieht eine Mehrheit der Stadträte keine Perspektive mehr fürs ehemalige Kino. Im Juli vorigen Jahres hat der Stadtrat daher den Abriss beschlossen. Im September startete die Bürgermeisterin mit ihrer UBS-Fraktion noch einen Versuch, wenigstens die markante Front zu retten – abgelehnt. Doch erst nach mehrmaligem Drängen hat die Bürgermeisterin vor wenigen Wochen den Abriss in Auftrag gegeben. „Wir können doch nicht abreißen, was unsere Väter einst mit eigenen Händen aufgebaut haben“, argumentiert sie.

Doch während der Stadtrat im Kampf für den Erhalt der Oberschule fest zur Bürgermeisterin hielt und auch die Klage gegen das Schulgesetz des Freistaates mitgetragen hat, werfen ihr nun etliche Abgeordnete ein mangelndes Demokratieverständnis vor. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Machtverhältnisse im Stadtrat voriges Jahr gedreht haben. Die CDU ist nun stärkste Fraktion und brachte viele neue, auch jüngere Leute mit. „Die stellen alles infrage, was im vorherigen Stadtrat Konsens war“, sagt eine Unterstützerin der Bürgermeisterin, UBS-Fraktionschefin Hannnelore Pfaff. Sie sagt, es gehe um „viele persönliche Dinge“ – und räumt ein, dass die Persönlichkeit der Bürgermeisterin durchaus Anlässe dafür biete.

Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Christine Noack, will die Sache nicht zu hoch hängen. Von einer Entmachtung könne keine Rede sein, sagt sie – und das sagt auch CDU-Fraktionschef Hänsgen. „Aber wir fühlen uns zu wenig informiert.“ Und die Bürgermeisterin entscheide „Dinge, die eigentlich der Stadtrat entscheiden müsste“. Die Kommunalaufsicht im Landratsamt Görlitz kennt die Probleme: „In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Beschwerden zum Verhalten der Bürgermeisterin eingegangen“, heißt es.

Oft seien diese berechtigt gewesen und hätten zu rechtsaufsichtlichen Rügen und Anordnungen geführt. „Überwiegend geht es dabei um den Vorwurf der Verletzung der Zuständigkeiten des Stadtrates und des unzureichenden Vollzugs von Stadtratsbeschlüssen.“ Karin Berndt sagt dazu lapidar, dass sie natürlich in 14 Jahren Amtszeit auch Fehler gemacht habe. „Wenn, dann aber nie bewusst oder mit Vorsatz.“ Für die aktuellen Vorwürfe fehlen ihr aber die Beweise oder konkrete Hinweise. „Erst dann kann ich etwas ändern.“ Vorerst wehrt sie sich – und hat gegen die Änderung der Hauptsatzung Widerspruch eingelegt.