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Die Bahn kommt öfter mit dem Bus

Klaus Müller hat es satt. „Ich bin jeden Tag fast so lange zu und von meinem Job unterwegs, wie ich arbeite“, schimpft der Berufspendler. Jeden Tag muss der Justiziar von Radeburg, seinem Wohnort, nach Leipzig in die Landesmedienanstalt – mit der Deutschen Bahn.

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Von Michael Rothe

Klaus Müller hat es satt. „Ich bin jeden Tag fast so lange zu und von meinem Job unterwegs, wie ich arbeite“, schimpft der Berufspendler. Jeden Tag muss der Justiziar von Radeburg, seinem Wohnort, nach Leipzig in die Landesmedienanstalt – mit der Deutschen Bahn. Die will ab 9. Dezember den Intercity um 6:47 Uhr ab Dresden streichen. Für Müller bliebe so vor 8:00 Uhr nur der Zug um 5:55 Uhr. „Eine Zumutung“, sagen er und 50 andere, die sich in eine Unterschriftenliste eingetragen haben. Die Bahn begründet mit „unzureichender Nutzung“, Müller spricht von „über 100 Personen selbst in den Ferien“. Der gestrichene Zug ist kein Einzelfall im neuen Winterfahrplan.

Dauerbaustelle Dresden–Leipzig

Auf Sachsens wichtigster Bahnlinie gibt es auch 2013 Einschränkungen. Wegen des S-Bahn-Ausbaus zwischen Dresden-Neustadt und Coswig kommt es auch zu Abweichungen im Angebot. Einzelne Nachtzüge werden umgeleitet, zwischen Nünchritz und Coswig gibt es Schienenersatzverkehr. Züge aus Leipzig halten in Dresden-Neustadt am Außenbahnsteig 10. Reisenden nach Görlitz/Zittau rät die Bahn, in Dresden-Mitte umzusteigen.

Breslau geht in Görlitz-Linie auf

Trotz steigenden Aufkommens hat die Strecke Dresden–Breslau (Wroclaw) laut Klaus-Dieter Martini, DB-Regio-Chef in Südostsachsen, „die Erwartungen nicht erfüllt“. Zwar seien bis Ende Oktober mit 57000 fast so viele Reisende gezählt worden wie 2011 insgesamt, dennoch seien grenzüberschreitend im Schnitt nur 28 Leute im Zug. Daher würden die Züge nun in den Fahrplan Dresden–Görlitz integriert: mit täglich drei Zusatz-Halten und acht Minuten längerer Fahrzeit. Martini spricht angesichts gekürzten Regionalisierungsmittel von „Kompromiss“. Die Polen-Verbindung sei bis Anfang Juni gesichert. Rettung könnte eine Verlängerung nach Opole sein. „Dort wohnen die meisten Polen mit Deutschem Pass, und die Strecke ist für die Nachbarn leichter finanzierbar“, so der Bahn-Manager. Die Verhandlungen liefen. Sonst gebe es von Dresden in die Lausitz kaum Veränderungen.

Bauarbeiten auch in Chemnitz

Wegen des Umbaus des Chemnitzer Hauptbahnhofs kommt es auf der Linie Dresden–Chemnitz–Zwickau jeweils in der ersten Wochenhälfte bis Niederwiesa und Siegmar zu Sperrungen und Schienenersatzverkehr. Gleiches gilt bis Mittweida für zwei Nachtzüge auf der Strecke nach Riesa/Elsterwerda.

Einschränkungen bei der S-Bahn

Wegen der gesperrten Elbbrücke in Meißen müssen Reisende von Dresden nach Meißen-Triebischtal für das letzte Stück auf den Stadtbus umsteigen, für einzelne Nachtverbindungen am Wochenende für die ganze Strecke. Das Gleiche gilt für Reisende von Leipzig via Döbeln/Nossen. Für die S-Bahn S1 bleibt es bei der Taktung 28/58 Richtung Meißen und 01/31 Richtung Pirna. Auch am anderen Ende der S1 wird gebaut. Dort fährt die S-Bahn nur noch stündlich bis Schöna und achtmal täglich der Elbe-Labe-Sprinter ins Tschechische. Für die S2 von Pirna zum Dresdner Flughafen und die S3 von Dresden/Hbf. nach Freiberg ändert sich nichts .

Keine Angst vor Bus-Konkurrenz

Vor den ab 2013 zugelassenen Fernbussen hat die Bahn, selbst größter Bus-Anbieter, keine Angst. Martini erwartet „kaum Auswirkungen auf den Schienennahverkehr“. Den Bussen seien Halte unter 50 Kilometern untersagt und DB-Günstigtarife wie das Länderticket eine große Hürde. Die Bus-Konkurrenz müsse auch angesichts der hohen Bahnfrequenzen, etwa auf der Strecke Dresden–Leipzig, rechnen.

Streit um Zuschüsse vom Bund

Derzeit streitet die Politik über eine Finanzierungsverordnung des Freistaats für den Nahverkehr. Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) will die Regionalisierungsmittel vom Bund – gut 500 Millionen Euro – neu verteilen, von denen 374 Millionen zur Bestellung des Verkehrs an die fünf Zweckverbunde gehen. Basis sind Demografie und Wirtschaftskraft. Leipzig, Nord- und Mittelsachsen würden mehr, Oberlausitz und Niederschlesien weniger erhalten. So droht der Verkehr auf dem Land auszudünnen, warnt die Opposition. Morlok schließt Streckenstilllegungen nicht aus.

Der Radeburger Berufspendler Klaus Müller hat schon fast resigniert. Weder Unterschriftenliste und Brief an Bahnchef Rüdiger Grube noch eine Beschwerde bei Sachsens Wirtschaftsministerium hätten den Wegfall der Morgenverbindung Dresden–Leipzig verhindern können. „Ich werde wohl wieder auf das Auto umsteigen“, sagt er.