Merken

Der Traum von der Fabrikanten-Villa

Theresa und Karsten Eger renovieren die 117 Jahre alte Villa Wolle in Eibau. Dabei legen sie schichtweise Geschichte frei.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Staub und Klebstoffreste tauchen den Parkettfußboden in ein kümmerliches Grau. Titelseiten der Sächsischen Zeitung liegen auf dem Boden verteilt. „Organ der Bezirksleitung Dresden der SED“ steht auf dem Seitenkopf gedruckt und ein kämpferisches „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“. Die Titelblätter von 1975 gehören noch zu den jüngeren Relikten, die Theresa (34) und Karsten Eger (44) in ihrem Haus zutage gefördert haben. Theresa Eger erkundet ihr Haus weniger mit kalendarischen als mehr mit erdgeschichtlicher Methodik: nach Schichten. „Die Zeitungen dürften so etwa die vierte Tapetenschicht von oben gewesen sein“, erzählt sie.

Das junge Ehepaar ist der neue Besitzer der Villa, die sich der Tuchfabrikant Samuel Wolle 1900 direkt neben seiner Weberei an der Eibauer Jahnstraße errichten ließ. Ein prächtiger historisierender Klinkerbau, der von gehörigem Reichtum zeugte. Als Theresa und Karsten Eger aus Seifhennersdorf im März den Kaufvertrag unterschrieben, war der Preis der Villa in der Kategorie „Schnäppchenhäuser“ angekommen. 43 000 Euro riefen die letzten Eigentümer, ein niederländisches Ehepaar, für den Kasten auf. Vor vier Wochen zog die letzte Mieterin aus. Seitdem renovieren die Egers.

Renovieren, das heißt in diesem Fall eben erst einmal, Schichten abzutragen. Ausstattung und Zustand der Wohnungen bei der Übernahme wären mit dem Begriff „Substandard“ noch freundlich umschrieben. „Die original erhaltenen Parkettfußböden waren mit mehreren Lagen Kunststoff oder Teppichboden bedeckt“, erzählt Theresa Eger, „In einem Raum war sogar ein Betonboden darüber gezogen worden.“ Das Ehepaar hat Zwischenwände herausgerissen und historische Kacheln freigelegt. Im ersten Stock kam gar wieder ein alter Kamin zum Vorschein, den eine original erhaltene Wandmalerei mit dem Feuervogel Phönix schmückt. „Da war einfach eine Mauer davorgezogen worden“, sagt Theresa Eger. Denn als die Fabrikanten-Villa 1968 in den Besitz der Gemeinde Eibau gelangte, war man bei der Umwandlung von Bonzen-Protz in sozialistischen Wohnraum nicht zimperlich. Die 260 Quadratmeter mit zehn Räumen wurden in vier Wohnungen parzelliert.

Einigermaßen mutig findet Theresa Eger es schon, sich als junges Ehepaar einen denkmalgeschützten Kasten ans Bein zu hängen. Es ist nämlich nicht so, dass die beiden nicht genug zu tun hätten. Auf dem Balkon unter dem hölzernen Sprenggiebel schlummert der ein halbes Jahr alte Tino in seiner Babytrage, der vierjährige Tom ist noch in der Kita. „Oma hilft so gut sie kann“, sagt Theresa Eger. Noch ist die Zahnärztin in der Elternzeit. Aber bald wird sie ihre Tätigkeit beim Gesundheitsamt wieder aufnehmen. Und Karsten Eger ist als Industriemechaniker ganztägig beschäftigt. So wird die Renovierung zum Feierabend- und Wochenend-Projekt. „Mein Mann kann vieles selber machen“, sagt sie.

Handwerkliches Geschick gehört zu den wichtigsten Eigenschaften für so ein Projekt. Denn eine denkmalgerechte Sanierung schafft vor allem Platz auf dem Konto. Die Egers rechen damit, dass sie noch mal das Dreifache des Kaufpreises für die Renovierung aufwenden müssen. „Für die Fensterrahmen schreibt der Denkmalschutz vor, dass wir nur einheimisches Holz verwenden dürfen. Und die Rahmen müssen genauso aussehen, wie die originalen von 1900“, sagt Theresa Eger. Außerdem gibt’s Rahmen für die gut 50 Fenster der Villa nicht als Standard von der Stange, sondern nur als Extra-Anfertigung vom Tischler. Auch die gesamten Leitungen für Strom oder Wasser müssen ausgetauscht werden. Hier allerdings erlaubt auch der Denkmalschutz modernsten Standard. „Die Stromleitungen sind teilweise noch aus Aluminium“, sagt Karsten Eger, „Kupfer war ja in der DDR Mangelware.“

So ein Haus kann ungeahnte und teure Überraschungen bergen. Aber die Egers haben nicht vor, mit ihrer Villa Wolle in der Ruinenfiasko-Soap „Die Schnäppchenhäuser“ bei RTL II zu enden. „So ein altes Haus ist mein Lebenstraum gewesen“, erzählt Theresa Eger. Doch vor der Villa Wolle sei sie lange zurückgeschreckt, weil die noch bewohnt war. Deshalb hatte sie sich zunächst in ein charmantes Objekt ganz in der Nähe verliebt. Doch davon riet ein hinzugezogener Bausachverständiger dem Ehepaar dringend ab. Das seit Jahren leerstehende Haus sei im Grunde abbruchreif, so der Experte. Der Substanz der Villa Wolle stellte er dagegen ein recht solides Zeugnis aus.

Eine gute Voraussetzung, auch die beantragten Fördergelder für die denkmalgerechte Renovierung zu bekommen. Wenn alles gut läuft will die Familie Ende 2018 schließlich in ihre Villa einziehen. Jetzt laden sie erst einmal alle interessierten Besucher am Tag des offenen Denkmals diesen Sonntag in ihre Villa ein. Der lichtdurchflutete Salon im Erdgeschoss gibt schon eine vage Vorstellung davon, wie hier wieder historisch wertvoller Wohnraum entstehen kann. Theresa Eger wünscht sich, dass viele Eibauer kommen, die auch noch alte Fotos vom Haus besitzen. „Ich möchte noch mehr von der Geschichte der Villa erfahren.“