Merken

Der Spieler

Lothar Schubert aus Riesa baut Spiele nach und entwickelt neue. Eins wäre fast in Serie gegangen – doch dann kam die Wende.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Die Kinder haben den Anstoß gegeben. Damals, Mitte der 80er Jahre, wollte Lothar Schubert seinem Sohn und seiner Tochter die gleiche bunte Spielewelt bieten, wie sie Kinder jenseits der deutsch-deutschen Grenze hatten. „Die meisten DDR-Spiele waren dröge und schlecht verarbeitet“, sagt der Riesaer. Aus den mit Gesellschaftsspielen prall gefüllten Kleiderschränken im heimischen Gästezimmer nimmt er einige Beispiele. Er zeigt gewellte und eingerissene Spielbretter aus Pappe – hergestellt in Chemnitz oder Berlin.

Schöner als das Original von Ravensburger: die Sagaland-Version von Lothar Schubert.
Schöner als das Original von Ravensburger: die Sagaland-Version von Lothar Schubert.
Der Riesaer Lothar Schubert vor seiner Spielesammlung im Gästezimmer. Die Spiele, die er zu DDR-Zeiten mühsam nachgebaut hat, hat er sich nach der Wende oft noch mal als Original zugelegt.
Der Riesaer Lothar Schubert vor seiner Spielesammlung im Gästezimmer. Die Spiele, die er zu DDR-Zeiten mühsam nachgebaut hat, hat er sich nach der Wende oft noch mal als Original zugelegt. © Sebastian Schultz

Doch wie herankommen an die Kassenschlager aus dem Westen? Lothar Schubert hat die Spiele einfach nachgebaut – wobei „einfach“ relativ ist. An Anleitungen und Muster gelangte er über einen Freund in Erfurt, den er nur den „Spielefreund“ nennt. Zudem entdeckte der Familienvater die Deutsche Bücherei in Leipzig als Quelle. „Die hatten auch Bücher, die in Westdeutschland erschienen sind.“

Als Angestellter des Robotron-Rechenzentrums musste er oft zu Lehrgängen im Bildungszentrum in die Messestadt fahren. „Bevor das morgens losging, bin ich in die Bücherei und habe mir Spielebücher bestellt, die ich dann nach dem Lehrgang lesen konnte“, erzählt der Mathematiker, der heute die EDV-Abteilung der Stadtverwaltung leitet. Mit nach Hause nehmen konnte man nichts. „Also habe ich die Bücher abgeschrieben.“ Seine Aufzeichnungen hat er bis heute. Darin sind alle möglichen Gesellschaftspiele samt Skizzen beschrieben.

Zu Hause hat sich Schubert dann ans Basteln und Sägen gemacht. Die Spielanleitungen tippte er mit der Schreibmaschine ab. Eines der ersten Spiele, die er nachgebaut hat, war der Klassiker Sagaland. Dabei herausgekommen ist ein mit rotem Stoff bespannter Holzkasten, gefüllt mit Spielkarten, Figuren und vier Quadraten aus Spanplatten. Aneinandergelegt ergeben sie das Spielbrett. Die Punkte, auf denen die kleinen Männchen vorrücken, bestehen aus flachen Holzbäumchen.

Alle einzeln ausgesägt. Weiteres Zubehör hat er sich aus der Holzspielzeugkiste seiner Kinder gemopst. Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Kinder spielten die nachgemachten West-Spiele mit Begeisterung. Doch Lothar Schubert hat auch eigene Spiele konzipiert. Diese zu veröffentlichen, sei allerdings nicht einfach gewesen. „Denn es mangelte ja immer an Material“, sagt der 64-Jährige. Eines seiner Spiele wäre beinahe in Serienproduktion gegangen: Ligato. Im Mai 1989 verkauft er die Idee für das Strategiespiel an den VEB Berlinplast, der auch die DDR-Version von Kniffel produzierte. Der Betrieb ließ eine Handvoll Muster für Ligato herstellen: eine längliche Plastikplatte mit Vertiefungen, in die blaue und rote Mensch-ärger-dich-nicht-Figuren passen.

Spiele im Papprohr

Doch dann kam die Wende, und Berlinplast stellte die Produktion ein. Erschienen ist das Spiel trotzdem – als App. Auf dem Smartphone oder dem Tablet-Computer (nur Apple) kann man es seit 2013 spielen. Dafür gesorgt haben die Macher der Internetseite „Nachgemacht“. Darauf zeigen sie Spiele, die in der DDR entstanden sind. Auch Ligato lässt sich auf der Internetseite herunterladen. Lothar Schubert fand es klasse, dass sein Spiel doch noch veröffentlicht wurde.

Geld verdient er nicht damit. Dafür musste er für die Veröffentlichung auch nichts bezahlen. Bis heute sind Gesellschaftsspiele eine beliebte Freizeitbeschäftigung im Hause Schubert – seltener allerdings mit den Kindern. Der Sohn lebt in Westdeutschland, die Tochter gar in Neuseeland. Da sie viel mit dem Zelt unterwegs ist, hat Lothar Schubert ihr eine eigene Spielesammlung angefertigt: dutzende Spiele in einem Papprohr. Um immer über die neuesten Trends Bescheid zu wissen, fahren Lothar Schubert und seine Frau Ursula regelmäßig zur großen Spielemesse nach Essen. Denn auch sie spielt gerne.

Daher hält er besonders Ausschau nach Spielen für zwei Personen – Hauptsache, die Anleitungen sind nicht so lang. „Wie wahrscheinlich jeder andere auch, verbringe ich meine Zeit lieber damit, das Spiel zu spielen, als die Anleitung zu lesen.“ Daher schätzt er auch You-Tube-Videos, in denen neue Spiele erklärt werden. Als Spiele-Erklärbär will auch Lothar Schubert bald aktiv werden. In diesem Jahr möchte er bei der Veranstaltungsreihe „Auf die Spiele, fertig, los!“ im Haus am Poppitzer Platz einsteigen. In Riesa gäbe es dafür wohl kaum einen geeigneteren Kandidaten.

www.ligato-app.com, www.nachgemacht.blogspot.de