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Der Seiteneinsteiger

Von Apple an die Oberschule Ebersbach: Sven Dietze erfüllt sich mit dem Unterrichten einen Traum – und muss lernen.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus

Ebersbach. Sein Lebenslauf lässt keine Langeweile aufkommen: Bei der Telekom zunächst eingeweiht in die Geheimnisse der Energieelektronik, studiert der Weinböhlaer später Tourismuswirtschaft und Kulturmanagement. Dass das dritte Fach Freizeitpädagogik ihm mit über vierzig einmal zugutekommen soll, ahnt Sven Dietze freilich damals noch nicht. Der vielseitig interessierte junge Mann wird erst einmal deutschlandweit als Tester renommierter Hotels, später in der PR-Abteilung des Festspielhauses Hellerau, für das Theater Meißen und schließlich als Trainer für den amerikanischen Technologieriesen Apple arbeiten. Erst dann entschließt er sich, zu tun, wovon er schon als Junge träumte. „Offengestanden wollte ich wirklich immer Lehrer werden! Aber da ich ein Fachabitur gemacht habe, war es mir damals nicht möglich, an der Universität Lehramt zu studieren“, bekennt Sven Dietze.

Auch wenn der Umweg zu seinem Wunschberuf vielleicht etwas länger und kurvenreicher ausgefallen ist – bereut hat er ihn auf keinen Fall. Als er sich im vergangenen Jahr letztlich doch dafür entschieden hat, die Chance zu ergreifen, um sich als sogenannter „Seiteneinsteiger“ beim sächsischen Landesamt für Schule und Bildung zu bewerben, habe er schließlich so manches vorweisen können. Nicht nur seine verschiedenen beruflichen Tätigkeiten in den letzten 15 Jahren, die fachspezifischen Erlebnisse und die nötige Portion Lebenserfahrung. „Nein, ich kann meinen Schülern tatsächlich erzählen, wie es da draußen ist, zu arbeiten. In der freien Wirtschaft, in welcher Flexibilität, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit an erster Stelle stehen“, erklärt Sven Dietze.

Seine eigene persönliche Belastung ist seit dem Seitenwechsel im vergangenen Jahr auf jeden Fall gestiegen. Sich bewerben und angesichts des vielfach beklagten Personalmangels einfach so vor die Klasse treten? Fehlanzeige! Damit sei es nicht getan. Nachdem sich der zweifache Vater im März beworben hatte und für die Fächer Technik/Computer, Informatik und Wirtschaft-Technik-Hauswirtschaft (WTH) auserkoren worden ist, durfte er zwar am 1. September in der Ebersbacher Oberschule anfangen. Gemeinsam mit einer Gruppe von 27 anderen Seiteneinsteigern drückte Sven Dietze aber parallel dazu selbst die Schulbank. Neben Hospitationen im Unterricht wurde er in der pädagogischen Wissensvermittlung geschult. „Und das ist auch wirklich gut so! Ich wusste zwar, was mich erwarten wird. Aber es ist etwas völlig anderes, plötzlich selbst vor der Klasse zu stehen und die Schüler 45 Minuten am Stück nicht nur bei Laune, sondern am Lernstoff halten zu müssen“, weiß Sven Dietze und lacht.

Methodik und Didaktik sind indes nicht die einzigen Komponenten, die den 43-Jährigen zum richtigen Lehrer werden lassen. Da er keinen Fachabschluss in Mathematik oder Germanistik in der Tasche habe, müsse er ab Oktober noch einmal studieren. In seinem Fall Informatik und WTH. Zuzüglich eines verkürzten Referendariats von 24 auf zwölf Monate mache das unterm Strich mindestens fünf Jahre Ausbildung. Und zwar nebenbei. Nach einem Tag an der Schule, Stundenvorbereitungen und Korrekturen – von den Verpflichtungen, inmitten einer Familie ganz zu schweigen.

Bereuen tut Sven Dietze seinen Entschluss aber dennoch nicht. Ganz im Gegenteil. Noch immer wolle er Lehrer sein und die Arbeit mit den Schülern mache ihm großen Spaß. „Deshalb wende ich momentan auch richtig viel Zeit für die Vorbereitung des Unterrichts auf. Ich möchte ihn spannend gestalten und den Mädchen und Jungen den richtigen Kick für ihr eigenes Leben mitgeben“, sagt Sven Dietze.