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Der Second-Hand-Betrug

Viele Kleidercontainer in Bautzen werden nicht mehr geleert. Der Verantwortliche sitzt in Untersuchungshaft.

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© SZ/Uwe Soeder

Von Madeleine Arndt

Wie auf einer Müllkippe: Lumpen liegen seit Monaten in unansehnlichen Haufen rund um zwei Altkleidercontainer an der Schlachthofstraße in Bautzen. Auch in Cunewalde wird seit Monaten der Altkleidercontainer an der Oberlausitzer Straße nicht geleert. Bettina Klose vom Ordnungsamt hat die verantwortliche Frankfurter Second-Hand-Firma Boex angeschrieben. Doch der Brief kam zurück. Klose ärgert es zusätzlich, dass der Behälter ohne Erlaubnis der Gemeinde aufgestellt wurde. Was sie nicht weiß: Die Container sind Teil eines international aufgezogenen Betrugs. Die Behälter und die Gutgläubigkeit der Spender wurden für Wirtschaftskriminalität im großen Stil benutzt.

Mutmaßlicher Täter ist Christian M., der Geschäftsführer von Boex. Er soll Geschäftsleute in Afrika betrogen haben, in dem er ihnen gebrauchte, gut tragbare Schuhe verkaufte, aber letztlich Schiffsladungen unbrauchbaren Schuhwerks lieferte. Journalisten des ZDF-Magazins Frontal 21 waren im Frühjahr den Machenschaften der Alttextil-Firma nachgegangen. Sie sprachen im Hafen von Mombasa mit einem kenianischen Kaufmann, dem von Boex Schuhe geliefert wurden. Sowohl der afrikanische Kaufmann, der für die angekommene Ware mit 30 000 Euro in Vorkasse gegangen war, als auch der örtliche Vertreter der Deutschen Auslandshandelskammer bezeichneten die Schuhe als Müll.

Seit Februar dieses Jahres sitzt der 39-jährige Boex-Chef in Untersuchungshaft. Wie die Frankfurter Oberstaatsanwältin Nadja Niesen mitteilt, ist außerdem ein 54-jähriger Lagerist des Second-Hand-Unternehmens angeklagt. Ihnen wird gewerbsmäßiger Betrug sowie Beihilfe zum Betrug in 30 Fällen vorgeworfen. Es handelt sich dabei um Taten, die in dem Zeitraum zwischen Mai 2009 und Februar 2016 begangen wurden. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft geht bei dem Schuhbetrug von einem entstandenen Gesamtschaden in Höhe von 650 000 Euro aus. Die Hauptverhandlung soll am 17. August beginnen.

Die Firma Boex, die sich selbst als eine der größten Alttextil-Firmen Deutschlands bezeichnet hatte, ist seit Mai 2016 pleite. Die mit der Insolvenzverwaltung beauftragte Kanzlei Kübler versucht nun, den undurchsichtigen Unternehmensaufbau und die Vertriebswege nachzuvollziehen. Eine große Frage bleibt, wo Boex seine Sammelbehälter gestreut hat.

„Wir wissen nicht, wie viele Container es in Deutschland sind und wo sie stehen“, sagt Rechtsanwältin Kathrin Brockmeyer. Betriebsunterlagen seien teils vernichtet worden, teils seien sie an Polizei und Staatsanwaltschaft gegangen. Die Anwältin glaubt aber, dass Boex die Altkleidercontainer vor allem im ostdeutschen Raum aufgestellt hat. Diesbezüglich ist sie jedoch auf Hinweise aus den Kommunen angewiesen. Neben Cunewalde und Bautzen stehen in Sachsen nach derzeitigem Wissen der Kanzlei weitere Boex-Container in Dresden, Wilsdruff, Oederan, Hohenstein-Ernstthal sowie in Lichtentanne und Rheinsdorf bei Zwickau.

Die dort deponierte Kleidung wird noch Wochen, wenn nicht sogar Monate vor sich hinmodern. „Wir haben jetzt eine Firma gefunden, die Interesse an den Containern hat“, sagt Brockmeyer. Bis das Unternehmen die Behälter mit schwerem Gerät bergen kann, dauere es aber noch eine Weile.

In Cunewalde will das Ordnungsamt nun die Behälter zukleben, damit sie nicht überlaufen. In Bautzen dagegen wird wohl zunächst einmal gar nichts passieren. „Es handelt sich nicht um eine städtische Fläche, daher schreitet die Stadt hier auch nicht ein“, teilte Stadtsprecher Tobias Schilling mit.