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Der Schrecken der Vermieter

Müllberge, Gestank, Mietrückstände: Eine Krankenschwester macht als Mietnomadin Ärger.

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Von Christoph Scharf und Jürgen Müller

Meißen/Riesa. Sie wollen so gar nicht zusammen passen: die Bilder von bergeweise Müllsäcken und die adrette Frau im Gerichtssaal – die eher wie eine Staatsanwältin wirkt als eine Angeklagte. Und doch steht die Riesaerin im dunklen Nadelstreifenjackett mit schicken Ohrringen, breitrandiger Brille und hochhackigen Schuhen nicht zum ersten Mal vor dem Gericht. Erst im Juli vorigen Jahres war sie am Amtsgericht Meißen wegen Sachbeschädigung und Diebstahls verurteilt worden, nicht allerdings wegen Betrugs. Das war gar nicht angeklagt. Dabei hatte sie getan, was sie so oft tut: Eine Wohnung gemietet und weder Kaution noch Miete gezahlt. Und die Wohnung dann total vermüllt verlassen.

Katja Koppelt vom Meißner Tierheim mit einer Perserkatze, die 2012 in einer Wohnung in Mögen gefunden und wieder aufgepäppelt wurde.
Katja Koppelt vom Meißner Tierheim mit einer Perserkatze, die 2012 in einer Wohnung in Mögen gefunden und wieder aufgepäppelt wurde. © Claudia Hübschmann

Solche Menschen werden als Mietnomaden bezeichnet. Und noch etwas zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Sie hält Tiere, vor allem Hunde und Katzen, und lässt diese völlig verwahrlosen. So holten schon 2012 Mitarbeiter des Tierschutzzentrums Meißen aus einer ihrer Wohnungen in Mögen (Stadt Lommatzsch) tote Hundewelpen und halb verhungerte und verdurstete Katzen heraus. Per Gericht erhielt sie damals nicht nur eine Geldstrafe, sondern auch ein einjähriges Tierhaltungsverbot. Doch die heute 47-Jährige hielt sich nicht daran.

Nun sitzt die Messie-Frau erneut vor Gericht. Routiniert legt sie ihren Aktenordner auf den Tisch und -den Kugelschreiber bereit: Sie wird mitschreiben, wenn die echte Staatsanwältin gegenüber die Anklage verliest.

Die Vorwürfe gleichen denen, die sich die gelernte Kinderkrankenschwester schon am Amtsgericht Meißen anhören musste. Damals war sie wegen Sachbeschädigung und Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 2 200 Euro verurteilt worden. Der Grund: Die 47-Jährige hatte – unter anderem – in einer Coswiger Wohnung 35 Müllsäcke wochenlang stehenlassen, die vor allem Katzenstreu enthielten. Flüssigkeit war ausgelaufen und hatte das Laminat ruiniert. Die Miete hingegen hatte der Vermieter einklagen müssen. Mit zahllosen Umzügen hat sich die Riesaerin längst den Ruf einer Mietnomadin erarbeitet. Insgesamt soll sie schon mehr als 15 Mal in ihrem Leben umgezogen sein, sie wohnte unter anderem in Löthain, Kaisitz, Hof bei Oschatz, Lommatzsch, Riesa und in Coswig.

Bestialischer Gestank

Dieses Mal sind es drei kleine Dörfer zwischen Meißen und Riesa, in denen sie laut Anklage jeweils einen Monat lang wohnte und dann umzog – ohne Miete oder Kaution bezahlt zu haben. Für die Vermieter war das noch das geringste Problem. Was ist schon eine fehlende Monatsmiete von 260 Euro für eine Zweizimmerwohnung gegen Reparaturkosten von mehr als 2 000 Euro, Hunderte Euro Heizkosten und einen Mietausfall über ein halbes Jahr hinweg, weil die Wohnung nach dem Auszug derart stinkt, dass sie monatelang nicht mehr vermietbar ist?

„Dabei hatte ich erst bei der Frau ein gutes Gefühl“, sagt ein 75-Jähriger, dem ein Mehrfamilienhaus in einem Ortsteil von Käbschütztal gehört. Er wollte ihr sogar die Hälfte der ersten Monatsmiete erlassen, weil ein Umzug bekanntlich Geld kostet. Doch die Entscheidung dürfte er schnell bereut haben: Denn kurz nach dem Einzug drohten ihm bereits drei andere Mietparteien an, wegen der Frau auszuziehen. Oder vielmehr wegen des bestialischen Gestanks aus ihrer Wohnung.

Der fiel auch den nächsten Vermietern auf, bei der die Angeklagte direkt im Anschluss eingezogen war. Auch hier fasste man Vertrauen: Angeblich habe die Frau einen unverschuldeten Wasserschaden gehabt und deshalb dringend eine neue Wohnung gebraucht. Aber auch hier stank es innerhalb kürzester Zeit so stark, dass selbst die Vermieter nebenan in ihrem eigenen Schlafzimmer den Geruch wahrnahmen. Den Grund dafür stellte man jeweils nach dem überhasteten Auszug fest: Berge voller blauer Müllsäcke, in denen sich unter anderem Katzendreck befand. In der einen Wohnung musste man das komplette Laminat rausreißen, nachdem zehnmaliges Wischen mit Essig und Chemikalien nichts geholfen hatten. In der nächsten musste man den Putz von der Wand hacken, um den Gestank des Katzenurins loszuwerden. „Dabei hatten wir die Wohnung erst vor dem Einzug der Frau vorrichten lassen“, sagt die Vermieterin.

Für die Angeklagte selbst stellt sich das alles ganz anders dar. Weil der Müll in der Anklage keine Rolle spielt, muss sie sich nur für den Vorwurf der ausstehenden Mietzahlung rechtfertigen. Und das ist – ihrer Meinung nach – immer nur ein Missverständnis gewesen.

Weil es Ärger wegen der Katzen gegeben habe, sei sie jeweils nach wenigen Wochen wieder ausgezogen und davon ausgegangen, dass sie damit vom Mietvertrag zurückgetreten sei. Mittlerweile lebe sie wieder in der Wohnung ihrer Mutter in Riesa. Allerdings benötige sie eine neue Wohnung, wenn sie wieder im Schichtdienst als Pflegerin arbeite – ihre letzten Jobs hat sie im Monatstakt verloren, so ähnlich wie ihre Wohnungen.

Nicht nur für Vermieter, auch für Tierschützer ist die Frau ein rotes Tuch. Gut bekannt ist die Angeklagte Mario Aßmann vom Tierschutzzentrum Meißen-Winkwitz. „Diese Frau hat schon so viele Leute geschädigt, das ist ein Skandal. Es ist ein Unding, das sie immer weitermachen kann“, sagt er und fordert ein erneutes, dauerhaftes Tierhaltungsverbot.

Vermieter bleiben auf Kosten sitzen

Neben ihrer strafrechtlichen Verurteilung muss sie auch die Kosten zahlen, die entstehen, um die Wohnungen wieder in einen vermietbaren Zustand zu versetzen. In Mögen war damals ein Schaden von rund 3 000 Euro entstanden. Die Dielen waren alle durch Tierkot und Urin aufgeweicht, mussten vollständig ausgetauscht werden. Auch die Türblätter waren zerkratzt, die gesamte Wohnung musste gemalert werden. Nach Angaben des Vermieters hatte die Frau drei Monate Miete gezahlt, dann aber nicht mehr. In Coswig entstand dem Vermieter sogar ein Schaden von 4 600 Euro. In einem anderen Fall wurde die Frau in einem Zivilverfahren zu Schadensersatz von 10 000 Euro verurteilt.

Möglicherweise gibt es bald wieder neue Verfahren gegen die 47-Jährige. Die aktuelle Verhandlung wird am Donnerstag am Amtsgericht Riesa fortgesetzt, weil noch ein Vermieter als Zeuge fehlt. Für eine geschädigte Vermieterin hingegen steht fest: „Die braucht nicht Strafe, sondern einen Psychiater.“