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Der Schäfer und sein Problem-Esel

Manfred Horn aus Berthelsdorf schützt seine Schafe mit einem besonderen Aufpasser vor Wölfen. Deswegen gibt es jetzt Ärger.

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© Dirk Zschiedrich

Katarina Gust

Berthelsdorf. Ruhig steht Sali auf der Weide. Der junge Esel rupft ein Büschel Gras von der Wiese und kaut darauf herum. Die Weide teilt er sich im Moment mit zwei Kühen: der großen braunen Valentina und der kleinen braunen Klara. Das Dreiergespann versteht sich prächtig. Obwohl Sali eigentlich andere Tiere um sich herum gewohnt ist. Denn der Esel lebt sonst inmitten einer großen Schafherde. Schäfermeister Manfred Horn in Berthelsdorf hat sich den grauen Vierbeiner vor zweieinhalb Jahren zugelegt. Jedoch nicht einfach so aus Spaß. Sali hat eine Mission. Der Esel soll auf Horns Schafe aufpassen. Mehr noch. Er soll die Tiere schützen – vor Wolfsübergriffen.

Genau dafür ist Sali da. Speziell trainiert wurde der gutmütige Esel jedoch nicht. Manfred Horn nutzt lediglich das natürliche Verhalten, das Sali und seine Artgenossen an den Tag legen. „Esel sind im Vergleich zu Pferden keine Fluchttiere“, erklärt der Schäfermeister. Bei einer möglichen Gefahr würde er deshalb nicht wegrennen, sondern stattdessen die Situation beobachten und analysieren. „Wenn ihm etwas komisch vorkommt, fängt Sali an zu schreien“, schildert Manfred Horn. Ein angeborenes Verhalten. Darauf würden wiederum die Schafe reagieren. Sie würden die Nervosität und Anspannung merken und sich instinktiv zusammenballen. Wie ein Fischschwarm, der sich mit dieser Formation vor Angreifern schützt.

Anzeige wegen Einzelhaltung

Mit Angreifern hatte es Manfred Horn bereits zu tun. Seit im Hohwald Wölfe nachgewiesen wurden, hat sich der Arbeitsalltag des Berthelsdorfers verändert. Mehrere Übergriffe hat er bereits erlebt. Zuletzt am Pfingstwochenende, als über Nacht mehrere Mutterschafe und Lämmer gerissen wurden. Die Wölfe haben vermutlich den Zaun übersprungen. Der Herdenschutz, der im Moment vom Freistaat im Wolfsgebiet gefordert wird, scheint hier nicht zu genügen. Auch deshalb setzt Manfred Horn lieber auf einen zusätzlichen Schutz – in Form von Esel Sali.

Doch genau deswegen gibt es nun Ärger. Beim Veterinäramt des Landratsamtes in Pirna wurde eine Anzeige gegen den Schäfer eingereicht. Horn wird beschuldigt, den Esel nicht artgerecht zu halten. Vonseiten des Landratsamtes gibt es zum Inhalt der Beschwerde keine Stellungnahme. Sprecherin Karin Kerber verweist auf das laufende Verfahren und bestätigt damit gleichzeitig, dass gegen ihn etwas vorliegt.

Der Schäfermeister wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, seinen Esel nicht artgerecht zu halten. Dem Tier würde es sehr gut gehen. Im Moment lebt Sali mit den beiden Kühen Valentina und Klara zusammen. Zu den Schafen kommt er erst in ein paar Wochen wieder. Denn im Moment sind die im Frühjahr geborenen Lämmer in der Herde noch zu klein und empfindlich. Sali könnte sie womöglich umrennen, und das will Manfred Horn nicht. Er wartet, bis der Nachwuchs seiner 200 Mutterschafe größer und robuster ist. Dann darf Sali zurück zur Herde auf die Weide. Dort gibt es je nach Standort Büsche oder Bäume, die Schatten spenden. Sollte es länger regnen, holt Manfred Horn Sali in den trockenen Stall. Denn Esel vertragen aufgrund ihres Fells keine dauerhaft nasse Witterung. Was daran nicht artgerecht sei, das fragt sich nun Manfred Horn.

Esel brauchen Artgenossen

Das versucht, Amtstierärztin Benita Plischke zu beantworten. Auf Anfrage der SZ teilt sie mit, dass es für Esel keine konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Haltung gibt. Sie verweist auf das allgemeine Tierschutzgesetz. Laut Benita Plischke sei es aber ratsam, Esel mit Artgenossen zu vergesellschaften und unter Bedingungen zu halten, die dem natürlichen Lebensraum der Herkunftsgebiete von Eseln entsprechen. Ist dieser Vorschlag bindend, müsste sich Manfred Horn demnach einen zweiten Esel anschaffen. Was einfach klinge, sei jedoch kompliziert. „Esel verstehen sich nicht mit jedem Artgenossen“, hat sich Manfred Horn angelesen. Sali, ein Wallach, könne wohl nur mit einer Stute vergesellschaftet werden. Ob sich beide Tiere dann verstehen, dafür gäbe es keine Garantie.

Horn hat sich zu dem Thema bereits mit einem Schäferkollegen aus den alten Bundesländern verständigt. Dieser hätte vier Esel für seine Herden. Gemeinsam gehalten werden diese Tiere allerdings auch nicht. Jeder Esel lebe in einer eigenen Herde. „Mehrere Esel in einer Schafgruppe funktioniert theoretisch zwar, nützt im Hinblick auf den Herdenschutz jedoch gar nichts“, ist Horn überzeugt. Die Esel würden sich als eigene Gruppe abschotten und mit sich selbst beschäftigen. Mitarbeiter des Veterinäramtes hätten sich auf seinem Hof in Berthelsdorf bereits umgesehen. Das Ergebnis steht noch aus. Bis Ende September soll eine Lösung gefunden werden.