Merken

Der Riese unter Sachsens Weingütern

Wackerbarth-Chefin Sonja Schilg über schweres Erbe, Hilfen für kleine Weingüter und ihren Kampf gegen rote Zahlen.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Frau Schilg, das Staatsweingut ist mit über 100 Hektar Rebfläche und 120 Mitarbeitern der Riese unter den sächsischen Weingütern. Viele Winzer sagen: Ja, die Frau Schilg hat‘s gut.

Ja, das kann ich bestätigen (lacht). Weil der Freistaat nach der Wende rasch für eine Restrukturierung gesorgt hat, damit wir im Wettbewerb bestehen können.

Wurden damals Flächen gekauft?

Im Gegenteil, Wackerbarth hat im Zuge der Privatisierung der Weingüter 30 Prozent der Flächen abgegeben. Es blieben vor allem die schwer zu bewirtschaftenden Terrassen und die alten DDR-Flächen übrig, die unökonomisch waren, weil sie zu wenige Rebstöcke pro Hektar hatten. Damals wurden sie mit großen Traktoren bearbeitet, die viel Platz brauchten. Es ist also alles hiergeblieben, was nicht verkaufsfähig war. Deshalb scheiterte auch der Versuch, Wackerbarth in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre als Ganzes zu verkaufen. Es gab damals nur zwei Interessentengruppen: Immobilienfirmen, die an die Flächen, und Großunternehmen, die an die Marke Wackerbarth wollten. An Weinbau hatte keiner Interesse.

Also blieb Wackerbarth in Staatsbesitz.

Es war besser so. Damals entschied man sich, Schloss Wackerbarth als Kulturerbe zu erhalten. Außerdem wurde festgeschrieben, dass sich das Staatsweingut für den Erhalt und die Förderung der sächsischen Weinkulturlandschaft einsetzen soll, also nicht nur Wein und Sekt produziert. Was letztendlich auch den privatisierten Weingütern zugutekommt.

Wie hilft Ihnen heute die Größe?

Zunächst hilft sie, diese Region bekannter zu machen, weil jede der Hunderttausenden Flaschen Wein und Sekt, die wir produzieren, für das Elbland wirbt. Größe ist natürlich auch für die Wirtschaftlichkeit erforderlich. Hier wurde und wird immerhin viel Geld investiert.

Größe hilft auch gegen die deutsche Konkurrenz?

Ach nein, nüchtern betrachtet ist das Weinanbaugebiet hier viel zu klein, als dass eine Konkurrenzsituation entstehen könnte. Ich sehe vielmehr die ausländischen Weine, die es im Supermarkt zu kaufen gibt, als Konkurrenz. Die Weingüter dort haben bessere klimatische Bedingungen, höhere Erträge und können viel billiger produzieren. Im Schnitt liegt dann eine Flasche Wein bei gut drei Euro.

Kann die Größe auch zur Last werden?

Nein. Wenn Sie auf die Trockenmauern abzielen, die wir zu sanieren haben und die uns viel Kraft kosten, sehe ich das nicht als Last, sondern als Aufgabe. Es ist spannend, ein Teil der Geschichte von Wackerbarth zu sein. Und ich finde es toll, dass junge Winzer, die wir ausgebildet haben, jetzt selbst in der Region Weingüter gründen.

Das stört Sie nicht?

Nein, im Gegenteil, ich finde das hervorragend. Ich sehe das als Teil unseres Auftrags, die Kulturlandschaft zu entwickeln. Sie schafft mit dem Tourismus einen Mehrwert, wovon alle Weingüter profitieren. Die 1,5 Millionen Euro, die wir jährlich vom Staat erhalten, gehen ausschließlich in die Sanierung dieser Kulturlandschaft. Wenn wir ein privates Gut wären, hätten es die Winzer unvergleichbar schwerer.

Ist es in einem großen Weingut leichter oder schwerer, guten Wein zu machen?

Es ist anspruchsvoll. Man braucht bessere Qualitätssicherungssysteme, kann nicht nachts aufstehen und nacharbeiten, wie es unsere Kollegen mitunter tun. Unsere breite Produktpalette ermöglicht eine feinere Abstimmung. In der jährlichen Planung können wir festlegen, welche Lage wohl für welches Produkt am besten geeignet ist – ein großer Vorteil.

Und ist es für Sie leichter oder schwerer, reinen Wein zu produzieren?

Leichter. Wir haben sehr gute Sicherungssysteme, die Weinverunreinigungen verhindern. Unsere Zulieferer sind alle diesen Sicherungssystemen unterworfen.

Für viele steht die Marke Wackerbarth vor allem für Sekt ...

... für erlesenen sächsischen Genuss! (lacht) Wir haben in den letzten Jahren alles dafür getan, die 180-jährige Sekttradition Sachsens zu erhalten. Wir müssen ja dankbar sein, dass unsere Vorfahren damals französische Kellermeister engagierten. Wir sind deshalb heute eine der ältesten Sektkellereien Europas. Wir haben zuletzt einige neue Produkte aufgelegt, darunter einen schönen Scheurebe-Sekt.

In der letzten Zeit haben sich kleine Sektgüter gegründet. Ein neuer Trend?

Ich hoffe es.

Tatsächlich?

Wir helfen dabei, dass es ein Trend wird. Unser Kellermeister geht hin, schaut sich an, was sie tun, und berät. Wir versekten auch für unsere neuen Kollegen. Die Vielfalt macht doch dieses Weinland erst aus.

Wie kann der Riese noch helfen?

Wir bilden viele Winzer für die Region aus. Wir beraten, verleihen unsere Technik. Wir treten zusammen auf Messen auf. Wir kaufen Grundweine in großen Mengen. Wir verkaufen die Weine von Kollegen hier im Gutsmarkt. Und wir haben von Anfang an alle Winzer darauf orientiert, dass wir in diesem kleinen Weinanbaugebiet Klasse statt Masse produzieren müssen. Wenn wir das alle miteinander gut machen, können wir auch unsere Preise sichern.

Kann Wackerbarth auch was von den kleinen Winzern lernen?

Es ist sehr schön, sich mit einem Klaus Zimmerling, einem Martin Schwarz oder Karl-Friedrich Aust über ihre Arbeit auszutauschen. Oder mit einem Prinzen zur Lippe eng zusammenzuarbeiten.

Verraten die ihre Tricks?

Ich nenne das Können. Ja, die Kellermeister gehen sehr offen damit um. Wir bitten auch die besten Winzer, unsere Weine kritisch zu bewerten.

Viele Winzer versuchen, immer mehr Erlebnisse für ihre Besucher in den Gütern zu schaffen. Sie nennen Wackerbarth gleich „Erlebnisweingut“. Was kann man denn hier alles erleben?

Bei Wackerbarth gibt es Führungen, Gastronomisches im eigenen Gasthaus, hier kann man Festlichkeiten privat und mit der Firma feiern. Immer geht es darum, Wein mit anderen Produkten wie Käse oder Schokolade zu genießen. Es gibt hier viele große Veranstaltungen wie das Federweißerfest, es gibt Bälle, den Weihnachtsmarkt. Wir machen Projekttage mit Schulklassen. Es gibt Konzerte. Kunst, Kultur und Genuss gehören für uns zusammen.

Zählen Sie die Besucher?

Das können wir technisch nicht, daher zählen wir nur die Kassenbons. Zuletzt waren es 190 000 im Jahr.

Viele kleine Güter müssen sich wirtschaftlich ganz schön strecken.

Wir auch!

Wann schreiben Sie schwarze Zahlen?

Hoffentlich bald. (klopft dreimal auf Holz.) Wenn wir zwischen 2009 und 2013 nicht so schlechte Jahrgänge gehabt hätten, wären wir längst so weit. Wir haben insgesamt zweieinhalb Ernten verloren, das sind mehrere Millionen Euro. Diese Zeit haben wir übrigens ohne Staatshilfe, durch Innovationen sowie durch die hohe Akzeptanz und Treue unserer Kunden überstanden.

Wann gibt es also schwarze Zahlen?

Ich bin vorsichtig: So schnell wie möglich. Das letzte Wort hat immer die Natur.

Das Gespräch führte Olaf Kittel.