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Der Obstbaumversteher

Timo Schelle aus Pirna besitzt die schönste Streuobstwiese in der Region. Auch die Nachbarn profitieren von dem Idyll.

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© Norbert Millauer

Von Mareike Huisinga

Pirna. Noch liegt Morgendunst über der Wiese. Die Luft ist kühl. Es duftet herbstlich. An den Bäumen leuchten rote und gelbe Äpfel, sie erinnern ein wenig an eine geschmückte Weihnachtstanne. Just in diesem Moment schleicht sich die getigerte Katze an. Vielleicht erwischt sie doch noch eine Maus zum Frühstück? „Das ist mein Paradies“, sagt Timo Schelle aus Pirna-Zatzschke und zeigt auf die Streuobstwiese hinter seinem Haus. Das Paradies hat die strenge Jury des Landschaftspflegeverbands Sächsische Schweiz-Osterzgebirge so beeindruckt, dass Timo Schelle den ersten Preis bei dem diesjährigen Streuobstwiesenwettbewerb belegte. Damit konnte sich der Pirnaer erfolgreich gegenüber den sieben anderen Teilnehmern durchsetzen. Der 43-Jährige lächelt ein wenig verschmitzt und sagt: „Klar, das ist natürlich eine schöne Bestätigung.“

Ausgezeichnet wurde das gesamte Gelände von rund 4 000 Quadratmetern, auf dem nicht nur alte Apfelbäume wachsen, sondern auch Nuss- und Birnenbäume sowie Kirschen. Das Preisgeld von 150 Euro will Schelle in die Anlage investieren und weitere Apfelsorten nachpflanzen.

Haus und Grundstück sind Familieneigentum. Bereits in den 1980er-Jahren übertrug der Vater seinem Sohn Timo das Gelände. Da sah es allerdings noch anders aus. „Alles wucherte hier wild“, erinnert sich Timo Schelle. Besonders hartnäckig hatten sich die Brombeerbüsche, Holunder und Haselnuss durchgesetzt. „Einige Brombeerranken wuchsen bis in die Bäume hoch“, berichtet Schelle. Nicht nur den Wildwuchs musste er entfernen. Die Apfelbäume waren über 15 Meter hoch und drohten auseinanderzubrechen, sodass einige Stämme gekappt wurden.

Pflege von Obstbäumen

Herbst:

Baumschnitt bei Süßkirsche und Walnuss durchführen. Schnitt auf der Wiese zu Reisighaufen stapeln, um Winterquartiere für Igel und Co zu schaffen.Quelle: Internet

Winter:

Kontrolle auf Wildverbiss, insbesondere bei hoher Schneelage, Schutz ggf. erneuern oder reparieren, bei Fraßschäden durch Feldmäuse am Wurzelansatz Bandagen anbringen.

Frühjahr: Kontrolle auf Wildverbiss und Befall durch Wühlmäuse, bei Feldmausbefall Ansitzstange für Greifvögel anbringen.

Sommer:

Hochschießende Gräser und Kräuter nahe am Stamm entfernen. Die Baumscheibe ggf. mulchen. Die Mulchung kann Wühlmäuse anlocken, daher unbedingt vor Beginn der Getreideernte entfernen.

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Kein Problem für Timo Schelle. Aufwendige Obstbaumschnitt-Seminare musste der Pirnaer nicht besuchen. Er ist vom Fach, da er nach der Schule eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner absolvierte. Heute arbeitet er bei einem Landschaftsunternehmen in Wilschdorf.

Hochprozentige Ernte

Woher kommt seine Liebe zur Natur? „Ich bin in der Landwirtschaft großgeworden. Meine Großeltern hatten in Wehlen einen Bauernhof, dort lebte ich mit meinen Eltern“, sagt der Mann mit den zwei grünen Daumen. Ein gepflegter englischer Garten, der einen Nagelscherenschnitt hat, ist nicht so seins. Ihm geht es um die Nähe zur Natur und um die Artenvielfalt auf seinem Grundstück. Deshalb haben viele Obstbäume auch einen Nistkasten. Selbst hohle Bäume werden nicht gefällt, sondern liebevoll gepflegt. „Sie sind besonders für Insekten ein idealer Lebensraum“ , weiß Schelle.

Einen Rasenmäher braucht er übrigens nicht, diesen Job übernehmen die Schafe und Ziegen, die sich auf dem Gelände tummeln. Die 33 Obstbäume sind rund 60 bis 80 Jahre alt. Zu den ganz alten Sorten gehören solche Klassiker wie zum Beispiel Altländer Pfannkuchenapfel und Gravensteiner. Am liebsten isst Timo Schelle die Sorten Kaiser Wilhelm und Goldparmäne. Über eine schlechte Ernte konnte sich der Pirnaer bisher nicht beklagen. „Tonnenweise“, sagt er, sei er von seinen Bäumen beschenkt worden. Ein Teil der Früchte wird eingelagert, sodass im Winter die Zutat für köstliches, selbst gemachtes Apfelmus gesichert ist. Viele Kisten schafft Schelle zur Saftpresse beziehungsweise zu einer Destillerie nach Klipphausen, um aus den Zatzschker Erträgen hochprozentigen Obstler zu brennen. Sein Kommentar? „Lecker!“

Aber ebenso bekommen Nachbarn und Freunde von der üppigen Ernte etwas ab. „Wir pflegen in Zatzschke einen guten Zusammenhalt“, sagt Schelle. So verwundert es auch nicht, dass man sich im Sommer oft unter den alten Obstbäumen zu einem gemütlichen Plausch trifft, um den Tag ausklingen zu lassen.