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Der neue Mister Verbraucherschutz

Sachsens Chef der Verbraucherzentrale über kostenlose Beratung via Skype, mehr Banken-Kontrolle und fremde Kühe.

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Von Katrin Saft

Ein Berliner kommt nach Sachsen und wird oberster Verbraucherschützer. Noch dazu einer vom Bundesverband, der jahrelang für politische Lobbyarbeit zuständig war. Das könnte schon mal misstrauisch machen. Doch wer Andreas Eichhorst kennenlernt, merkt schnell, dass unter dem korrekten blauen Anzug ein Herz für die neue Aufgabe schlägt. „Könnte, sollte, müsste? Ich hasse diese Worte“, sagt er. „Mit mir geht’s los!“

Der 54-Jährige will dem Verbraucherschutz im Freistaat mehr Gewicht verschaffen – und dabei ganz oben anfangen. In ein paar Tagen trifft er sich mit Verbraucherschutzministerin Barbara Klepsch. Bürgermeister, Verbände und Politiker aller Parteien, wie er betont, sollen folgen. Klingt wenig aufregend. Doch neue Besen können nur gut kehren, wenn Geld dafür da ist. Und genau deshalb will sich Eichhorst als Erstes um die Finanzen kümmern – was ihm in Berlin als Vize-Vorstand beim Verbraucherzentrale Bundesverband schon mal gelungen ist.

„Mit rund fünf Millionen Euro im Jahr ist die Verbraucherzentrale Sachsen recht gut ausgestattet“, sagt er. „Doch Qualität in den 13 Beratungsstellen kostet.“ Eichhorst hält viel von den neuen digitalen Möglichkeiten und träumt von einer kostenlosen Online-Verbraucherberatung. Via Skype bis in die entlegenste Vogtland-Region. „Im Gegensatz zu scheinbar unabhängigen Beratungs- und Vergleichsportalen kann ich schlecht zur Finanzierung eine Bankwerbung einblenden“, sagt er.

2,6 Millionen Euro bekommt die Verbraucherzentrale dieses Jahr vom Freistaat, rund 300 000 Euro nimmt sie durch Beratungsgebühren ein, 70 000 steuern die Kommunen freiwillig bei. Aber nicht alle. „Während kleine Städte wie Zwickau tapfer zahlen, stehlen sich große wie Dresden aus der Verantwortung und geben keinen Cent mehr“, so Eichhorst. Das dürfe nicht sein. Symbolisiere doch jeder noch so kleine Betrag, dass der Kommune die unabhängige Beratung ihrer Bürger wichtig sei.

Eichhorst will künftig für Projektgelder werben. Die IT-Ausstattung der Beratungsstellen zum Beispiel müsse dringend verbessert werden. „Ich kenne viele Haushaltstöpfe“, sagt er, „und viele Vorschriften, die dafür gemacht zu sein scheinen, dass die Töpfe nicht ausgeschöpft werden.“ Eichhorsts Twitter-Account zeigt, wie gut er vernetzt ist. Vor seiner Verbraucherschutz-Zeit war der Diplom-Verwaltungswirt im Umweltbundesamt und bei der Rentenversicherung des Bundes tätig – federführend für Finanzen.

Inhaltlich verspricht der Neue, sich vor allem um vier große Themen zu kümmern.

1. Digitalisierung

Eichhorsts Begeisterung für Neue Medien endet dort, wo Nutzer ausgespäht oder abgezockt werden. Die Datensammelwut von Facebook sieht er genauso kritisch wie unlautere Vergleichsportale oder Links, die sich später auf der Rechnung des Providers als Abo-Falle herausstellen – ein Problem, zu dem Hunderte Sachsen seit Monaten bei der Verbraucherzentrale Rat suchen. Eichhorst sieht hier auch die Provider in der Pflicht, die oft nur mit Sperrung oder Kündigung drohen. Lösung könne eine voreinstellbare Drittanbietersperre sein. Handlungsbedarf sieht er zudem bei der WLAN-Sicherheit, der elektronischen Krankenakte und bei Sharing-Portalen, die zwar gut gemeint, rechtlich aber oft unsicher seien.

2. Nachhaltigkeit

In seiner Zeit im Umweltbundesamt hat Eichhorst die zweimalige Wende der Energiewende erlebt: die Rücknahme des Atomausstiegs und nach Fukushima die Rücknahme der Rücknahme. „Jetzt, als Verbraucherschützer, will ich mich für eine bezahlbare Energiewende einsetzen“, verspricht er, „beispielsweise durch sinnvolle Eigenerzeugung erneuerbarer Energien und Einbeziehung von Energiegenossenschaften.“

Auch Regionalität gehört für ihn zur Nachhaltigkeit. „Viele denken, Sachsenmilch kommt aus Sachsen. Aber dafür würden die Kühe gar nicht reichen.“ Eine Umfrage unter Unternehmen und Verbrauchern soll klären, was Regionalität im Freistaat überhaupt bedeutet. Eichhorst, der inzwischen in Leipzig wohnt: „Nur bitte kein neues Label. Davon gibt es genug.“

3. Elementarschadenversicherung

Seit vielen Jahren kämpft die Verbraucherzentrale Sachsen für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Doch während Fluss-Anwohner keine oder nur sündhaft teure Versicherungen bekommen, wehren sich Nicht-Fluss-Anwohner gegen ein Zwangsgeld. „Das Thema wird aber nicht nur durch Hochwasser, sondern zunehmenden Starkregen akut“, sagt Eichhorst. Wenn sich alle Hausbesitzer beteiligen würden, blieben die Prämien bezahlbar. Ein entsprechender Brief an Ministerpräsident Tillich sei bereits auf dem Weg.

4. Finanzmarktwächter

Seit vergangenem Jahr baut die Verbraucherzentrale einen bundesweiten Marktwächter für Finanzen mit auf – ein Frühwarnnetzwerk, das Missstände aufdecken und beseitigen will. Sachsen kümmert sich hier speziell um die Themen Bankdienstleistungen und Verbraucherdarlehen. Diesen Bereich legt Eichhorst in die Hände seiner Vorgängerin Andrea Heyer, die nach anderthalb Jahren an der Spitze wieder das Finanzreferat übernimmt. „Ich habe den Marktwächter aus der Taufe gehoben“, sagt sie, „und freue mich, mich jetzt wieder mit fachlichen Fragen beschäftigen zu können.“ Geplant sei zum Beispiel eine Analyse von Kontoführungsgebühren, die derzeit bundesweit erhöht würden. Eichhorst will – nicht nur für den Marktwächter – für mehr Öffentlichkeit sorgen. Denn mal ehrlich: Wussten Sie, dass Sie sich unter www.marktwaechter.de über unlautere Geschäftspraktiken Ihrer Bank beschweren können?

www.vzs.de, Twitter: @Eichhorst_A, Facebook: www.facebook.com/VZSachsen