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Der Mann mit dem Rundhaus

Das Wohnen ohne Ecken hat nur Vorteile, sagt der Riesaer Erfinder. Trotzdem hat es sich noch nicht durchgesetzt.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. So bekannt wie Rathaus und Trinitatiskirche ist das Rundhaus von Christian Mlynek noch nicht. Und trotzdem ist sein pilzförmiges Gebäude auf dem besten Wege, ein Wahrzeichen von Riesa zu werden. Dabei thront es erst seit acht Jahren am Ortseingang von Weida – an einem der höchsten Punkte im Stadtgebiet. Dort stand früher ein Wasserturm. Jetzt sitzt der Hausherr auf einer roten Couch im Wohnzimmer, von wo aus er bei guter Sicht die St.-Aegidien-Kirche in Oschatz sehen kann und den Heidebergturm, der bereits in Brandenburg steht. „Ich wollte immer schon die Dinge von oben betrachten“, sagt der Bauingenieur.

Wohnzimmer ohne Ecken: Links ist die zentrale Wendeltreppe zu erkennen, hinten Essbereich und Küche. Schlafzimmer und Bad sind separat abgeteilt. Ein Kinderzimmer wäre im Erdgeschoss möglich.
Wohnzimmer ohne Ecken: Links ist die zentrale Wendeltreppe zu erkennen, hinten Essbereich und Küche. Schlafzimmer und Bad sind separat abgeteilt. Ein Kinderzimmer wäre im Erdgeschoss möglich. © Sebastian Schultz

Deshalb hat er einen Haustyp entworfen, bei dem sich das gesamte Leben im ersten Stock abspielt. Im Erdgeschoss gibt es nur einen Eingangsraum, ein Gäste-WC, ein Arbeitszimmer. Alles andere ist über eine Wendeltreppe im Mittelpunkt des Hauses zu erreichen. Ein Flur dagegen fehlt – weil das komplette Haus kreisrund ist. Hat man die Wendeltreppe erstiegen, landet man mitten im Wohnzimmer, das sich in einem großen Halbkreis erstreckt: An die offene Einbauküche schließt sich der durch Zimmerpflanzen abgeteilte Essbereich an. Dann kommt das große Sofa, der Fernseher, die Kommode. Den Abschluss des Reiches bildet eine Arbeitsecke mit Schreibtisch, Regalen, Telefon. Es gibt deutlich mehr bodenhohe Fenster als Wandfläche. „Bei uns ist es noch hell, wenn andere schon Licht anschalten“, sagt Mlynek.

„Eigentlich gibt es nur Vorteile“

Die Kehrseite der Medaille: So gut der 50-Jährige und seine Frau nach außen blicken können, so gut können die Vorbeikommenden abends bei hell erleuchteten Räumen reinschauen. „Uns stört das nicht“, sagt der Hausherr. Drum hat er nur auf der Westseite unscheinbare Plissees als Sonnenschutz am Fenster angebracht. Die hellen Räume sind nur ein Vorzug der Bauweise, die sich der Riesaer hat patentieren lassen. „Eigentlich gibt es nur Vorteile“, schwärmt der gebürtige Oberschlesier. So böten runde Körper das günstigste Verhältnis zwischen Grundfläche und Außenwand – und damit 13 Prozent weniger Energieverlust. Man könne auf Flure und lange Gänge verzichten. Die runde Form sei für Statik und Stabilität ideal – nicht umsonst habe man seit der Steinzeit so gebaut.

Die Rechteck-Bauweise habe sich erst in den vergangenen Jahrhunderten durchgesetzt, als Häuserfronten entlang von Straßen entstanden und rechteckige Grundstücke bestmöglich ausgenutzt werden wollten. Und die Grundstücke sind nach Mlyneks Meinung auch der Grund, warum sein 2007 errichtetes Gebäude bislang in der Region noch einzigartig ist. „Viele Leute waren von dem Haus begeistert – haben aber nicht die passende Fläche dafür gefunden“, sagt der Ingenieur. So stehen bislang die nächsten Rundhäuser in Bayern. Außerdem sucht ein westdeutscher Geschäftsmann nach einem Baugrundstück an der Ostsee, um dort das Riesaer Rundhaus-Modell als Ferienhaus errichten zu können.

Interessenten für eine Senioren-WG

„Bei uns dagegen werden Grundstücke oft gleich von Bauträgern vermarktet, die ihre eigenen Gebäude umsetzen wollen“, sagt der Riesaer. Dabei sei sein Konzept gerade auch für Gebiete mit Hochwassergefahr geeignet – so wäre nur der geringste Teil des Gebäudes betroffen. Und ältere Menschen könnten sich leicht einen Treppenlift einbauen lassen. „Bei mir waren schon Interessenten für eine Senioren-WG: Denen hat besonders gefallen, dass die Wohnebene nicht im Erdgeschoss liegt.“ So könne man beruhigter bei angekipptem Fenster schlafen. Ein Einbrecher müsste erst auf den mehr als 50 Quadratmeter großen Rundumbalkon klettern – während herkömmliche Einfamilienhäuser meist leicht erreichbare Terrassentüren haben.

Der große Balkon treibt allerdings auch den Baupreis: Er liegt mit 230 000 Euro für die 120-Quadratmeter-Variante etwas über dem Vergleichspreis eines herkömmlichen Hauses. Dafür kann es dank der standardisierten Elemente in gut zwei Wochen montiert werden – so schnell wie kein anderes Riesaer Wahrzeichen.

www.rundhaus.info