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Der kürzeste Radweg Deutschlands

Zeithain wartet seit Jahren auf den Bau zweier Radwege. Vor einem Millionen-Publikum nahm das Mario Barth jetzt aufs Korn.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Zeithain. Mario Barth ist eigentlich ein Fahrradmuffel. Aber diese Strecke würde selbst der Comedian täglich fahren. Sogar zweimal. Denn der Radweg zwischen der S 88 und dem Ortseingang Zeithain ist eigentlich nicht viel mehr als ein Bahnübergang und nur 25 Meter lang. Das hat Moderatorin Esther Sedlaczek höchstpersönlich nachgemessen, als sie im Namen der RTL-Show „Mario Barth deckt auf“ nach Zeithain geschickt wurde, um hier einen besonders schlimmen Fall von Steuerverschwendung aufzudecken.

Denn schon seit 2003 wird der Radweg vom Landkreis geplant. Das allein verschlang laut RTL-Recherche bereits 400 000 Euro. Parallel dazu arbeitet die Deutsche Bahn ihr Blinklichtprogramm ab, bei dem alle Bahnübergänge auf den neuesten Stand gebracht werden. Und 2013 eben auch der auf der Kreisstraße nach Zeithain. „Die Bahn machte aber einen entscheidenden Fehler: Sie vertraute auf die Entwurfsplanungen des Straßenbauamtes“, erklärte Esther Sedlaczek in der bereits ausgestrahlten Show. Die Bahn integrierte in das Bauwerk nämlich für 50 000 Euro einen extra Bahnübergang für die Radfahrer des neuen Radweges, der allerdings – zumindest in absehbarer Zeit – nicht gebaut wird. So entstand in Zeithain Deutschlands kürzester Radweg, über den jetzt die ganze Republik lachte. Fast. Denn für die Zeithainer selbst ist die Posse bitterer Ernst.

„Es ist unverständlich, dass es nicht vorangeht“, beschwerte sich CDU-Gemeinderat Christian Wagner kurz nach der Sendung. Er bat die Gemeindeverwaltung darum, einen neuen Vorstoß beim Landkreis zu wagen. Und tatsächlich hat es zwischen Bürgermeister Ralf Hänsel (parteilos) und Dezernent Andreas Herr bereits Gespräche gegeben, erklärte Zeithains Gemeindechef. Dabei hieß es wohl, dass der Radweg in Kürze dran sei. Denn Zeithain wartet schließlich nicht nur auf den Radweg an der K 8575, sondern auch an der K 8574 zwischen Röderau und Zeithain. „Beide Vorhaben sind für den Landkreis von hoher Bedeutung“, sagte Landkreissprecherin Kerstin Thöns auf Nachfrage der SZ. In den vergangenen Jahren hätten aber außerplanmäßige Schadensereignisse einer priorisierten Planung entgegen gestanden. Vor allem die Wiederherstellung nach dem Hochwasser mit einem finanziellen Umfang von mehreren Millionen Euro bindet seit 2013 erhebliche Arbeitskapazitäten innerhalb der Straßenbauverwaltung, so Kerstin Thöns. Trotzdem werde der Radweg zwischen Röderau und Zeithain nach Abschluss der Hochwasser-Vorhaben prioritär bearbeitet, versprach die Kreissprecherin. Aussagen zu Bauzeit und Baukosten seien zurzeit allerdings nicht möglich. Doch man müsse erst einmal die Planungen des Freistaates abwarten, heißt es. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr plant nämlich derzeit die flutsichere Verlegung der S 88 und untersucht dazu verschiedene Varianten. Eine Möglichkeit sieht die Verlegung der Staatsstraße vor. „Folglich besteht die Verpflichtung zur fortlaufenden Abstimmung und Koordinierung, damit Finanzmittel gemäß den haushaltsrechtlichen Aspekten eingesetzt werden“, sagt Kerstin Thöns. Angaben zu Bauzeiten und Kosten gab es auch für diesen Radweg nicht.

Im schlimmsten Fall muss Zeithain also noch weitere Jahre auf die Radwege warten. Denn „wie das so ist, wenn mehrere Instanzen planen – es passiert halt nix“, sagte die Fußball-Moderatorin Esther Sedlaczek in der Show. Das Format mit Frontmann Mario Barth beschäftigt sich seit 2013 mithilfe anderer Promis mit Fällen von Steuerverschwendung im ganzen Bundesgebiet. Wenn die verschwendeten Steuermillionen dann sinnbildlich aus dem Fenster geworfen werden, schalten regelmäßig über vier Millionen Fernsehzuschauer ein. Die hiesige Politik tut sich mit der Sendung allerdings schwer. Weder Landratsamt noch Zeithainer Rathaus wollten vor die Kamera. „Wenn ich dann sage, es gab Gründe – da hatte ich Sorge, dass das richtig rüberkommt“, erklärte Bürgermeister Ralf Hänsel. „Da kann man die Gemeinde nur schlecht repräsentieren.“