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Der Herr der Schilder

Seit zwei Jahren verkehrt die Wagenfähre nicht mehr. Doch Hinweisschildern führen Touristen in die Irre. Jetzt sind sie weg. Dank eines Coswigers.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Diera Zehren. Das ältere Ehepaar aus Coswig ist ratlos. Es steht am Ufer der Elbe in Niedermuschütz, will mit seinem Auto übersetzen. Hinweisschilder schon an der Bundesstraße 6 hatten die beiden zur Wagenfähre geführt. Die liegt zwar auf der anderen Seite am Elbufer, bewegt sich aber keinen Meter. Da hilft auch kein Läuten an der Schiffsglocke an der Anlegestelle. Denn die Wagenfähre fährt nicht mehr. Seit rund zwei Jahren schon. Doch seit wenigen Tagen ist die Touristenfalle weg. Zu danken ist das einem Coswiger. Matthias Harz hat sie mit der Zustimmung der Gemeinde abmontiert. Er darf das, denn der 67-Jährige ist seit März dieses Jahres Wegewart. Und besetzt damit eine ehrenamtliche Stelle.

Doch wie kommt ein Coswiger zu einem Ehrenamt in Diera-Zehren? „Nachdem ich im Ruhestand bin, habe ich mir eine Beschäftigung gesucht. Einfach zu Hause sitzen kann ich nicht“, sagt der studierte Mathematiker als Rentner im Unruhestand, der zuletzt an der Hochschule Meißen (FH) und Fortbildungszentrum lehrte. Nach einem eher zufälligen Gespräch mit dem Kreiswegewart erfuhr der passionierte Wanderer, dass Diera-Zehren einen Kreiswegewart suchte und er lief in der Gemeinde offene Türen ein.

Als Mathematiker ist Matthias Harz natürlich für Genauigkeit und Exaktheit. Dazu wird vom Wegewart derzeit eine Analyse durchgeführt, um eventuelle Ungenauigkeiten zu verändern, denn die Wanderer erwarten eine genaue Ausschilderung der Wanderwege. Diese Arbeit ist für den Wegewart eine weitere Herausforderung, der oft in den Alpen wandert, aber es auch schon in Nepal im Himalaya-Gebirge auf 5800 Meter brachte. Für den sportlichen Mann kein Problem, schließlich war er auch mal begeisterter Läufer, nahm mehrfach am Sparkassencup und anderen Laufveranstaltungen teil und spielt Volleyball.

„Die Urlauber erwarten eine durchgängige Beschilderung. Sie ärgern sich, wenn die Schilder nicht eindeutig, falsch sind oder plötzlich sogar ganz fehlen“, sagt er. Fast alle 100 Kilometer Wanderwege der Gemeinde hat er mit dem Rad abgefahren und erkundet. Den Sächsischen Weinwanderweg zwischen Diesbar-Seußlitz und Karpfenschänke mit seinen mehr als 100 Schildern an 45 Standorten hat er sich schon genau vorgenommen. Weitere sollen folgen. Sein Ziel ist es, eine genaue und vor allem einheitliche Beschilderung vorzunehmen. Und Schilder, die nicht mehr stimmen, abzubauen. So wie die, welche zur Wagenfähre wiesen. Die werden übrigens jetzt erst mal eingelagert. Denn theoretisch könnte der Fährbetrieb irgendwann mal wieder aufgenommen werden. Falls sich ein Käufer oder Betreiber findet. Offiziell sucht die Gemeinde noch immer danach.

Matthias Harz stellt aber auch bestimmte Wanderwege infrage. Beispielsweise den Rundweg von Zehren über Schieritz und Ickowitz nach Niedermuschütz. „Die Strecke führt zu 40 Prozent über Straßen. An der Strecke gibt es keine einzige Gaststätte und touristische Sehenswürdigkeit. Solche Wanderwege sind nicht attraktiv. Die Gemeinde und der Wegewart wollen überlegen, ob es sinnvoll ist, solche Wege weiterhin zu pflegen. „Wegen vier, fünf Wanderern im Jahr lohnt sich das nicht“, so der Coswiger. Er will die Angebote in der Region besser vernetzen.

So hat er eine Wanderroute beschrieben, bei der es vom Bahnhof Meißen mit dem Bus in die Gemeinde Diera-Zehren geht, dann gewandert wird und die Leute dann erneut mit dem Bus zurück in die Domstadt fahren. Entlang der Strecke sind nach Abstimmung mit den Inhabern alle Gaststätten aufgeführt. Und auch der Fahrplan der Verkehrsgesellschaft Meißen ist verlinkt. „Mir geht es vor allem um die Fremden. Die Einheimischen kennen sich aus, wissen Bescheid“, sagt er. Schließlich möchte er die Wanderwege im Internet präsentieren, Touren beschreiben, Online-Fahrpläne anbieten. Auf der Webseite der Gemeinde sollen elf, zwölf Wanderwege präsentiert werden. Auch auf der Internetseite Outdooractive hat er den genannten Wanderweg schon beschrieben, weitere sollen folgen, um damit Touristen in die Region zu holen.

Matthias Harz hat viel vor, und das mit mathematischer Exaktheit. „Hauptsache ich habe eine sinnvolle Beschäftigung, die mir Spaß macht und ich bin viel an der frischen Luft“, sagt er. Und wie lange will er Wegewart sein? Matthias Harz überlegt nur kurz: „Ich habe ja noch 33 Jahre bis zur 100.“ Genug Zeit, um vielleicht einiges zu bewegen.