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Der Graf mit der Reitgerte soll zahlen

Hat ein 68-Jähriger mit einem Stock nach einer Spaziergängerin geschlagen? Die Justiz will mit dieser Frage endlich abschließen.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Glaubitz. Was ist passiert an jenem Sommertag im Jahr 2015 im Wald zwischen Glaubitz und Roda? Klar ist so viel: Kurz vor einem Rastplatz trifft ein Reitertrio – Graf von S., seine Lebensgefährtin und eine Reitlehrerin – auf eine Spaziergängerin. Bei der handelt es sich um eine Polizistin in Zivil, die zufällig hier mit ihrem Diensthund Gassi geht. Auch zum Reitertrio gehören zwei Hunde. Man steht einander im Weg. Was sich nun abspielt, ist umstritten. Blafft der Graf die Polizistin in Zivil an und schlägt mit der Reitgerte nach ihr? Oder ist das Zusammentreffen viel harmloser abgelaufen?

Fragen, mit denen sich das Riesaer Amtsgericht jetzt erneut beschäftigen musste. In der ersten Verhandlung hatte der skurril anmutende Vorfall nicht aufgeklärt werden können. Zu viele Widersprüche gab es in den Aussagen der Beteiligten: Hier der Graf, der bestreiten ließ, dass er mit der Gerte nach der Polizistin geschlagen hatte. Dort die Polizistin, die das Gegenteil behauptete. Da die Lebensgefährtin, die den erzürnten Grafen beruhigen wollte, angeblich aber nicht sehen konnte, ob der zur Gerte griff. Die Reitlehrerin will den Angeklagten beim Ausholen mit dem Stock beobachtet haben. Die Polizistin habe er aber nicht treffen wollen, sagte sie.

Am ersten Prozesstag hatte der 68-jährige Graf noch im weißen Hemd mit Manschettenknöpfen und Ledersakko auf der Anklagebank gesessen. Diesmal hatte er kurzfristig abgesagt – aus gesundheitlichen Gründen. Eine vorgeschobene Begründung, um einem erneuten Medienrummel aus dem Weg zu gehen? Immerhin hatten sich beim ersten Prozesstag neben der Lokalzeitung auch überregionale Boulevardmedien für den Prozess interessiert. Doch an dem Gesundheitsproblem scheint etwas dran zu sein: Die Richterin erklärt, sie habe beim Krankenhaus nachgefragt – und dort habe man ihr bestätigt, der Graf sei am Vortag tatsächlich operiert worden.

Das Gericht verhandelt dennoch. Die Justiz will den Fall endlich abhaken, macht es den Eindruck. Bisher ist das nicht gelungen. Auch, weil der Graf es abgelehnt hat, sich bei der Nünchritzer Polizistin zu entschuldigen. Und auch die Einstellung des Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage hatte der 68-Jährige zurückgewiesen.

Der unter bürgerlichem Namen geborene Dresdner macht auf viele Beobachter den Eindruck eines schwierigen Zeitgenossen. Am ersten Prozesstag hat er selbst kein Wort gesagt, dafür aber über seine damalige Verteidigerin die Nennung des „von“ in seinem Namen einfordern lassen. Inzwischen soll er mehrfach den Verteidiger gewechselt und im Hintergrund massiv Schriftverkehr verursacht haben, heißt es aus Justizkreisen. Von einem „schwierigen Menschen“ sprechen auch Zeugen, die seit Längerem mit dem Mann zu tun haben.

Die Staatsanwaltschaft, die dem Grafen Nötigung und versuchte vorsätzliche Körperverletzung vorwirft, hält auch am zweiten Prozesstag an der Anklage fest. Sie hat dem Grafen jetzt eine Brücke gebaut und einen Strafbefehl beantragt, den das Gericht auch erlassen hat. Zahlt der Graf jetzt eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 50 Euro, also insgesamt 4 000 Euro, ist die Sache erledigt. Zwar wäre die Zahlung ein Schuldeingeständnis. Weil die Strafe unter der 90-Tagessätze-Grenze liegt, gälte der Graf aber weiter als nicht vorbestraft. Sollte er dem Strafbefehl jedoch widersprechen, würde die Sache neu aufgerollt. Was vielleicht weniger glimpflich enden könnte.