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Graf mit Gerte scheitert vor Gericht

Der 69-Jährige soll bei einem Reitausflug nahe Glaubitz eine Polizistin in Zivil gehauen haben. Er bestreitet das bis zum Schluss.

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© Symbolbild/dpa

Von Stephan Klingbeil

Riesa. Wie tickt eigentlich ein Pferd? Vor allem, wenn es in eine Stresssituation gerät, wenn vor ihm Hunde bellen oder wenn sein Reiter mit der Gerte wild herumfuchtelt? Fragen wie diese beschäftigten an diesem Mittwoch erneut die Berufungskammer am Landgericht in Dresden. Dort muss sich seit vergangener Woche Graf von S. verantworten (SZ berichtete).

Der 69-Jährige wehrt sich gegen ein Urteil vom Amtsgericht Riesa vom Winter dieses Jahres. Wegen Nötigung und versuchter Körperverletzung wurde er dort zu einer Geldstrafe in Höhe von 3 000 Euro verdonnert. Das Gericht sah seine Schuld als erwiesen an. Der Mann soll bei einem Reitausflug im Juli 2015 eine Polizistin in Zivil genötigt haben, ihm und seinem Tross an einer Lichtung bei Glaubitz Platz zu machen. Dabei hätte der Graf die heute 45-Jährige auch mit seiner Reitgerte attackiert.

„Ja, ich gebe zu, dass ich verbal entgleist bin, aber ich habe sie nicht tätlich angegriffen“, bestreitet der Angeklagte die Vorwürfe gegen ihn. „Es war damals eine psychische Grenzsituation für mich, aber ich habe dabei nichts Strafbares getan.“ Sein Verteidiger fordert daher einen Freispruch.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie hält die Zeugin für glaubwürdig, sieht zudem kein Motiv bei der Polizistin, den Angeklagten zu beschuldigen. Er sei ihr vor dem Vorfall „völlig unbekannt“ gewesen.

Was war geschehen: Hier gehen die Meinungen auseinander – was bedeutet, entweder lügt der Graf oder die Polizistin. Fest steht, dass der routinierte Reiter an jenem Sommertag mit seiner Lebensgefährtin – sie war damals noch eine unerfahrene Reitschülerin – und einer Reitlehrerin sowie zwei Hunden von einem Hof im nicht weit entfernten Roda aus losgeritten war.

Unterwegs habe sich der Sattelgurt bei dem Pferd der Lebensgefährtin des Grafen gelockert. Daher habe der Tross den rund 200 Meter entfernten Rastplatz für Wanderer angepeilt – um erst dort den Gurt nachzuziehen. An der Lichtung traf der Mann, der nicht Graf von Geburt, sondern per Heirat ist, auf die Polizistin. Sie war spazieren mit ihrem angeleinten Hund. Die Situation eskalierte, weil Reiter und Polizistin nicht aneinander vorbeigekommen sein sollen.

Der Graf habe die Beamtin beleidigt. Auf ihren Vorschlag, noch ein paar Meter weiter zu reiten, damit sie ungehindert vom Platz und er dann zurückkommen kann, ging der Graf angeblich nicht ein. Stattdessen sei er abgestiegen und habe mit der Gerte nach ihr geschlagen. Deshalb stellte die Polizistin später auch Strafantrag, nachdem der Graf eine mehrtägige Frist zur Entschuldigung verstreichen ließ.

Der Graf betont, er wollte mit der Gerte nur den Hund aus der Gefahrenzone fernhalten: „Hätte ich vor dem Kopf meines Pferdes rumgeschlagen, wäre es doch hochgegangen, daher kann nicht stimmen, was die Polizistin sagt“, erklärt er.

Hätte das Tier so reagiert? „Pferde sind Fluchttiere, das kann also sein“, so der Chef des Reiterhofs, in dem der Graf sein Pferd unterstellt. Auch anderes sei durchaus möglich. Der Fachmann gab viel Spekulatives von sich. Wirklich Licht in die Angelegenheit bringt er aber nicht. Und ein tierpsychologisches Gutachten anfordern wollte keiner der Beteiligten. So kam es darauf an, ob auch die Berufungskammer die Aussagen der Polizistin für glaubwürdig hielt. Und das tat die Kammer. Eine Nötigung hält sie für erwiesen. Dass der Angeklagte aber die Frau verletzten wollte, glaubte sie nicht. Die Kammer milderte das erste Urteil deutlich ab. Der Graf soll nun 600 Euro (20 Tagessätze à 30 Euro) zahlen.