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Der Glasfaser-Visionär

IT-Planer Stefan Reichel aus Reichenberg hat bemerkenswerte Vorschläge für schnelles Internet. Die langsame Variante bremste auch ihn schon aus.

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© Arvid Müller

Von Ines Scholze-Luft

Moritzburg. Ein Stück Neuseeland hat er immer dabei. Mit dem Halsschmuck aus grüner Jade wirkt Stefan Reichel gleich noch ein bisschen unkonventioneller, als es die sportliche Kleidung und das längere dunkle Haar sowieso schon signalisieren. Dazu ein offenes Lächeln, das auch bleibt, als er – etwas versteckt wehmütig – erklärt, was der grüne Stein bedeutet. Ein sogenannter Hei Matau, ein stilisierter Angelhaken der Maori – Symbol für Stärke, Glück und sicheres Reisen über Wasser.

Das hat er schon oft gebraucht. Denn er lebte mit seiner Familie fast zehn Jahre in Neuseeland. Mit dem ihn neben der grünen Jade unzählige gute Momente verbinden. Der entspannte Lebensstil, dass sich alle mit Vornamen und trotzdem immer respektvoll ansprechen. Die Weltoffenheit, die Bereitschaft, Neues zu wagen. Der Umgang mit modernen Technologien wie dem Glasfasernetz. Wo sich im dünn besiedelten Gebiet eher schnelles Internet finden lässt als in Deutschland dicht dran an mancher Großstadt.

Für einen IT-Freak wie Stefan Reichel eine gewaltige Herausforderung. Fühlt sich der noch in Karl-Marx-Stadt Geborene und über Dippoldiswalde nach Dresden Gekommene doch in dem Metier bereits als Schüler heimisch. Macht gleich nach dem Abi zusammen mit seinem Bruder einen Online-Shop auf – den Ersten in Sachsen, vielleicht in ganz Deutschland. Alles selbst programmiert. Aber bei aller Leidenschaft: Rechnen müssen sich die Dinge auch. Was nicht so klappt, weshalb es Reichel zu einem Unternehmen nach Düsseldorf zieht.

Ein Quereinsteiger, der sich nicht mehr nur auf Talent und Erfahrung verlassen möchte, im Abendstudium IT-Ingenieur wird. Und dann mit der Freundin ganz weit weg will. Ans andere Ende der Welt. Dem Urlaub folgt erstes berufliches Vortasten in Neuseeland, sie in der Hotellerie, er in der Informationstechnik. Und nach kurzem Europa-Zwischenspiel die Rückkehr mit der Erkenntnis: Alltag ist hier ähnlich angenehm wie Urlaub. In Queenstown, Welthauptstadt des Bungees, findet das Paar sein Zuhause. IT-Leute werden gesucht.

Dann stirbt Reichels Opa. Der junge Mann fliegt heim, spürt, wie wichtig ihm Familie ist, trotz aller Schönheit der Ferne. Ein erstes Achtungszeichen. In Neuseeland macht er sich dann selbstständig, mit Freunden, als Internetprovider. Zwei Kinder kommen, die Tochter, heute sechs, der Sohn, jetzt vier. Oma und Opa lassen sich durch Skypen nicht ersetzen. Gesundheitsprobleme belasten die kleine Familie. Ob Deutschland hilft? Sie versuchen es, landen in Wahnsdorf, nahe bei Reichels Vater, der in Reichenberg wohnt. Stadt kommt nicht infrage. Weil man nur auf dem Land in Gummistiefeln und Schlafanzug zum Zaun gehen und Schafe füttern kann – ein liebgewordenes Ritual der Kinder von der Insel.

Nur kann die Idylle nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rückkehr schwierig ist. Die erhoffte Zufriedenheit will sich nicht einstellen. Unerwartete Diskrepanzen tauchen auf. Durch die Bürokratie, in der Familie selbst. Nach einer weiteren Weltumrundung entscheidet das Paar, sich zu trennen, sieht Reichenberg und Wahnsdorf als künftigen Lebensmittelpunkt. Stefan Reichel zieht ins Haus des Vaters. Wo er mit seiner Firma Internetprojekte vor Ort, in Neuseeland, Singapur, Kanada betreuen will und feststellt: Das geht nicht. Das Netz ist zu langsam. Deshalb gibt es jetzt ein Büro in Dresden. Wegen der flinken Glasfaserverbindungen, die er so nötig braucht.

Sie sind der Schlüssel für viele Probleme, sagt Reichel. Breitband und öffentliches Wlan – welch ein Gewinn für die Region. „Stellen Sie sich vor, die Touristen könnten sich so auf dem Moritzburger Schlossparkplatz wichtige Tipps holen. Vielleicht einen Gutschein fürs Museum oder fürs Schlosscafé. Oder als Einheimischer ein besonderes Anwohner-Angebot.“

Reichel sieht beinahe unendliche Möglichkeiten durch die Technik. Doch zu wenig Leute, die sich fürs Realisieren den Hut aufsetzen. Da nennt er vor allem die Kommunen in der Pflicht. Als Entscheider. Für seine Parkplatzpläne hat er schon offene Ohren gefunden, auch bei Bürgermeister Jörg Hänisch. Doch es braucht noch mehr Mitstreiter, sagt Stefan Reichel.

Der IT-Experte wünscht sich einen kommunalen Glasfaserplan. Damit auch abgelegenere Gebiete wie Reichenberg ans schnelle Netz können. Er ist überzeugt: Das erhöht nicht nur die Wohnattraktivität, mit Fernsehen, Video, Internet, Ebay. Siedeln sich wieder mehr Leute an, könnten Bäcker und andere Handwerker zurückkommen. Für freie Berufe – Architekten, Ingenieure – wäre es auf dem Land ideal. Wenn sich Pläne bequem übers Netz schicken lassen. Mehr Leute, mehr Steuern, mehr Gewerbeeinnahmen. Und noch mal Einnahmen durchs Vermieten der Glasfaserleitungen – falls die Kommunen oder ihre Zweckverbände das übernehmen.

Allerdings müssten Städte und Gemeinden auch was tun dafür. Zum Beispiel Leerrohre für Breitband mitverlegen lassen, wenn Straßen gerade offen sind. Dafür gibt es sogar Fördermittel. Nicht umsonst hat Reichel schon im Büro des sächsischen Wirtschaftsministers gesessen.

Natürlich verbirgt sich hinter dem Zauberwort Glasfaser noch viel mehr. Das würde Reichel gern an die Entscheider herantragen, wie jüngst in Strehla, Priestewitz, Dippoldiswalde. Weil es noch genug internetschwache Regionen gibt. Mut und Visionen sind gefragt – darin bestärkt ihn nicht zuletzt das grüne Jade-Symbol.

Stefan Reichel, Tel. 0176 35577071