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Der Esel gibt das Tempo vor

Eine ungewöhnliche Reisetruppe auf zwei und vier Beinen beendet in Tauscha ihren einwöchigen Fußmarsch. Ein neuer Urlaubstrend?

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Tauscha. Anruf in der Großenhainer SZ-Redaktion. Tim Blaube ist am anderen Ende der Verbindung. „Wir sind jetzt in Laußnitz losgelaufen und in etwa anderthalb Stunden da“, sagt er. Das Ziel ist die „Pension im Heidebogen“ in Tauscha. Dort soll eine siebentägige Wanderung auf dem Pilgerweg Via Regia zu Ende gehen. Fünf Kinder, sechs Erwachsene und zwei Esel sind von Bautzen bis in den östlichen Rand des Landkreises Meißen zu Fuß bzw. per Huf unterwegs. Überall, wo die kleine Truppe auftaucht, sorgt sie für Aufsehen.

Denn der Anblick ist ungewöhnlich. Vor allem wegen der Esel. Eine Zeit wird vereinbart, um sich auf halbem Weg zu treffen. Schließlich möchte die SZ wenigstens auf den letzten Kilometern die Eselwanderer begleiten. In Tauscha angekommen, geht dann alles sehr schnell. Die Reisetruppe ist schon am Ortseingang und kurz darauf mitten im Dorf. Am Spielplatz vorbei biegt sie auf die ehemalige Dorfstraße ein, die seit Kurzem passenderweise „Pilgerstraße“ heißt. „Unsere Esel waren schneller als wir gedacht haben“, sagt Tim Blaube. „Wenn sie laufen, geht’s flott voran.“ Er lacht.

Der 47-Jährige bezeichnet sich selbst als Natur- und Sozialpädagoge. Bereits zum zweiten Mal ist er diese Route mit Menschen und Eseln gelaufen. Vorher hatte er sie allein mit seinem Hund getestet. Den hat er diesmal zu Hause bei Freunden gelassen. „Auf die Reisegruppe und die beiden Esel aufzupassen, ist schon Verantwortung genug“, sagt er. „Da brauche ich nicht noch den Hund dazu.“

Blaube arbeitet freischaffend und organisiert unter anderem auch Kinderferienlager. Seine Motivation ist immer die Gleiche. „Ich möchte Naturerlebnisse für die Menschen schaffen“, sagt er und weiß, dass es dafür immer mehr begeisterte Anhänger gibt. Besonders entlang eines Pilgerweges wie der Via Regia. „Das Pilgern ist ja wie wild aus dem Boden geschossen“, so Blaube.

Hape Kerkeling sei Dank. Der Komiker hatte mit seinem Bestseller „Ich bin dann mal weg“ einen wahren Pilgerboom in Deutschland ausgelöst. Nicht nur auf dem Jakobsweg in Spanien, den Kerkeling ging, sondern auch auf den Zubringerstrecken, zu der auch die mittelalterliche Handelsstraße Via Regia gehört.

Für seine „Pilgerwanderung“, die eher gesundheitlicher statt geistlicher Natur ist, habe Blaube sich bewusst Esel als Wanderbegleiter ausgesucht. Zum einem, um Tiere dabei zu haben, zum anderen auch für das Gepäck. „Außerdem haben sie ein ruhiges, gleichmäßiges Tempo“, sagt der Sozialpädagoge. Das würde der Reisegruppe nur gut tun. Schließlich könnten sie so entspannt wandern und müssten nicht hinterher hetzen.

Die Leute aus ihrem hektischen Alltag zu nehmen, sei eines der Hauptziele dieser Wanderung mit Eseln. „Dafür gibt es ja ein Modewort – Entschleunigung“, sagt Tim Blaube.

Er hat die beiden Esel Seppl und Laila extra für diese Reise ausgeliehen. Sie stammen vom Eselhof in Meißen. Vor allem der 23-jährige Seppl sorgt immer wieder für ungewollte Pausen. Vor jeder Pfütze macht er halt. „Das hat nichts mit der Sturheit der Esel zu tun. Dieses Vorurteil ist sowieso Quatsch“, sagt Blaube. Sie seien einfach nur vorsichtig, weil sie nicht wissen, wie tief die Pfützen sind.

Aus diesem Grund würden die Tiere auch um jeden Gullideckel lieber einen großen Bogen machen. „Deshalb sind wir wie auch nicht durch Kamenz gelaufen“, erzählt er. In Städten gibt es massenhaft Gullideckel. Esel fühlen sich dort nicht sonderlich wohl.

Für Naturpädagoge Tim Blaube ein Grund mehr, bei seinen Reisen auf diese Tiere zu setzen. Auch deswegen seien sie mehr auf Landstraßen und Feldwegen unterwegs gewesen. Die Esel voran. Und ging trotzdem mal ein Zweibeiner vor Seppl und fing an zu trödeln, stieß der alte Esel ihn mit der Schnauze an.

„So viel zum Thema Entschleunigung“, sagt Blaube lachend und biegt mit seiner kleinen Gefolgschaft in die „Pension am Heidebogen“ ein.