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Der Erste wird 80

Sigmund Jähn, der erste Deutsche im All, feiert mit seiner Familie. Er hofft, dass sonst niemand erfährt, wo die Party stattfindet.

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© Eberhard Mädler

Von Stephan Schön

Ein niedriger Zaun, dahinter die Wiese, das Haus. Keine Villa, kein Wassergrundstück. Es ist ein eher kleines Haus in Strausberg bei Berlin. Nichts, aber auch gar nichts verrät, dass hier jemand wohnt, der als erster Deutscher die Erde aus dem All gesehen hat. Sigmund Jähn mag es nicht, aufzufallen. Erst recht heute nicht zu seinem 80. Geburtstag. Ob er heute hier feiert oder in seinem Geburtsort, in Morgenröthe-Rautenkranz, oder ganz woanders? Er ist dann einfach mal weg, hat er gesagt. So wie zu seinem 75. schon und zum 70. Bei dem hatte er wenigstens ein perfektes Alibi: Mit seinem Raumfahrerkollegen Thomas Reiter war er da gerade auf Tour in Russland. Und heute? Nicht mal guten Kollegen hat er erzählt, wo er heute mit der Familie feiert. Nur kein Aufsehen.

3. September 1978, Sigmund Jähn schreibt in Kasachstan seinen Namen auf die Landungskapsel.
3. September 1978, Sigmund Jähn schreibt in Kasachstan seinen Namen auf die Landungskapsel. © dpa
Jähn zusammen mit Waleri Bykowski war er im All.
Jähn zusammen mit Waleri Bykowski war er im All. © dpa/Tass

Sigmund Jähn meint es ernst. Wann immer es geht, meidet er Medientermine. Nur wenige große Interviews hat er nach der Wende gegeben, unter anderem auch der Sächsischen Zeitung. Und wenn er schon mal zum Interview kommt, dann ist es immer er, der die ersten Fragen stellt: „Muss das denn sein?“ und „Ist denn nicht alles schon gesagt?“ – Eben nicht. Wer Sigmund Jähn einmal bei den traditionellen Raumfahrttagen in seinem sächsischen Heimatort im Vogtland trifft, der weiß, dass er auch anders kann. Dann, wenn zum Klassentreffen der Raumfahrer Russen wie Amerikaner anreisen, dann kommt er schon ins Erzählen. Dann geht es nicht nur um die Zukunft der ISS, der Internationalen Raumstation. Dann kommen auch die alten Geschichten wieder vor. Die von den legendären Treffen mit Kosmonauten und auch Astronauten in seiner Jagdhütte in Morgenröthe-Rautenkranz. Geschichten von der Saljut bis Mir, den Wodka dort und den in Moskau.

Wer mit Sigmund Jähn über sein Leben sprechen will, macht dies am besten da, wo seine Karriere steil ins All ging: Im Sternenstädtchen bei Moskau oder in Baikonur. Dann plaudert er am ehesten darüber, dass er schon ganz gern noch mal geflogen wäre, so wie sein westdeutscher Raumfahrerkollege und Freund Ulf Merbold. Dann erzählt er, dass er hofft, die Raumfahrt möge so wie bisher über die politischen Krisen hinweghelfen. Und, dass es künftig sicher auch mit den Chinesen ins All gehen wird. Und zum Mars? Ja klar. „Übrigens, bei jedem Start von einem unserer Astronauten mache ich mir inzwischen wesentlich mehr Sorgen als bei meinem eigenen Flug“, gesteht Sigmund Jähn. Sie alle kennt er persönlich, viele sind gute Bekannte. Einige waren auch direkt seine Kollegen geworden und Freunde. Als ehemaliger NVA-General war daran nach der Wende zunächst nicht zu denken, seine Karriere schien schlagartig zu Ende. Kollegen wie Ulf Merbold waren es schließlich, die ihm halfen und die ihn schätzen als Mensch mit Charakter, zurückhaltend eben. In den 90er-Jahren wurde Jähn dadurch zum Mittler zwischen Ost- und Westraumfahrt. Als damals entschieden wurde, zwei Deutsche sollten zur russischen Mir-Station fliegen, waren seine Kenntnisse der russischen Gegebenheiten gefragt. Inzwischen ist er in Rente und kommt doch von der Raumfahrt nicht los. Sie hat sein Leben verändert. Auch anders, als er es sich vorgestellt hatte.

Ein Held war er für die DDR, mit Straßen und Schulen, die seinen Namen trugen. Die Vereinnahmung seiner Person war total und nicht mehr aufzuhalten, wie in den Gesprächen mit der SZ erzählte. Aber er hatte durch seinen Raumflug auch die Chance bekommen, interessante Leute auch jenseits der Ost-Staaten zu treffen. Auf seine Reden auf den Parteitagen angesprochen: Achselzucken und das war halt so. „Da war kein einziges Wort von mir. Die bekam ich in die Hand gedrückt. Mit dem Versuch, daran etwas zu ändern, bin ich nur angeeckt.“ Um nicht noch höher auf den Sockel gehoben zu werden, ließ er zu DDR-Zeiten niemanden von seiner Doktorarbeit wissen.

Ein Held wider Willen? Das nahmen ihm vor allem in den 90er-Jahren viele nicht ab. „Es gab tatsächlich eine ganze Reihe Journalisten, vor allem welche aus der DDR, die sich darin gefallen hatten, es diesem Jähn, diesem Überflieger und Helden zu zeigen.“ Doch es gab und gibt auch die anderen. Selbst Bundespräsidenten und Forschungsminister, die ihn schätzten, trotz und mit seiner Biografie. Leute von der Nasa wie Roskosmos, von der Esa sowieso. Und so kehrt er immer wieder mit seinen Kollegen zurück an jenen Ort, wo er einst selbst gestartet war – Baikonur.

Im kommenden Jahr steht ein Doppeljubiläum an: 40 Jahre erster Deutscher im All. Sein guter Freund und Kollege Ulf Merbold war dann als erster Westdeutscher vor 35 Jahren im Space-Shuttle unterwegs. Ob Sigmund Jähn diese Party dann auch schwänzen kann – wohl kaum.