Merken

Der Eigenheimtraum des Markus B.

Der mutmaßliche Haupttäter im Fall Anneli ist öfter mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und seit Jahren in Geldnot.

Teilen
Folgen
NEU!
© Barbara Herbst

Von Ulrich Wolf

Einen Satz bekommt die 59-jährige gebürtige Dresdnerin noch heraus. „In der Familie ist so viel schief gelaufen.“ Pause. „Ich kann nicht mehr.“ Dann bricht sie in Tränen aus und wünscht, das Telefonat zu beenden. Die Frau, die inzwischen fernab ihrer einstigen Heimat im Landkreis Landsberg am Lech in Bayern eine Gebäudereinigungsfirma betreibt, war dabei, als Markus B. im Juni 2007 heiratete. Sie ist mit der Familie seiner Frau eng befreundet.

Markus B.
Markus B. © Facebook

Seit bekannt ist, dass Markus B. mutmaßlicher Hauptverdächtiger im Fall Anneli ist, beherrscht eine Melange aus Fassungslosigkeit und Wut die Menschen, die ihn und seine Familie kannten. Auch in Schönenberg.

In dem Ortsteil der rund 5 000 Einwohner zählenden Gemeinde Ötisheim bei Pforzheim ist Markus B. aufgewachsen. Er habe mit seinen Eltern in der „Baracke“ gewohnt, erzählen Alteingesessene, einem abgewohnten Holzhaus im Eigentum der Gemeinde. Es sei inzwischen abgerissen worden. Ein Mitschüler von B., der mit ihm von 1982 bis 1993 die Hauptschule in Ötisheim besuchte, berichtet, der nun Beschuldigte habe „ständig Stress gemacht“. Er habe immer wieder geschwänzt und sei mitunter sogar von der Polizei in die Schule gebracht worden. Ein weiterer Ex-Schulkamerad erzählt, B. habe einen verwahrlosten und vernachlässigten Eindruck auf ihn gemacht. Die Familie sei kurz nach dem Hauptschulabschluss weggezogen.

Der weitere Weg von B. ist nur sporadisch zu verfolgen. Er hat in Mühlacker und Stuttgart gelebt, sich irgendwie durchgeschlagen. Nach SZ-Informationen ist er in der baden-württembergischen Justiz durch mehrere Kleindelikte zwischen 2000 und 2002 aktenkundig geworden, saß dort auch schon einmal in Haft.

Immerhin aber schafft er 2003 einen Abschluss als Küchenmeister auf einer Hotelfachschule in Heidelberg, arbeitete vorübergehend in einem inzwischen geschlossenen Viersternehotel in Gerolstein in der Eifel. Bereits 2004 zog er wohl der Liebe wegen nach Sachsen. Nach Klipphausen im Landkreis Meißen. Auf den Dreiseithof seiner späteren Schwiegermutter, auf dem die Ermittler die Leiche von Anneli gefunden hatten. Dort machte er sich als Mietkoch selbstständig, warb mit dem Slogan: „Das Leben ist viel zu kurz, um schlecht zu essen.“ Seitdem muss er viel unterwegs gewesen sein. Auf einem Aida-Kreuzfahrtschiff habe er gearbeitet, heißt es. In einem Hotel am Chiemsee, aber auch in einem Restaurant in Weinböhla. In dieser Zeit kamen seine zwei Söhne zur Welt, seine Frau arbeitete bei einem Verlag in Dresden, die Familie investierte in die Sanierung und den teilweisen Umbau des Hofes.

Offensichtlich aber haben sie sich dabei übernommen. Bereits Ende 2012 soll B. das Auto seiner Frau als gestohlen gemeldet haben. Die Kfz-Versicherung aber hatte Zweifel und zahlte nicht. Daraufhin soll der Koch das Fahrzeug abgefackelt haben. Ein entsprechendes Betrugs- und Brandstiftungsverfahren ist vor dem Amtsgericht Dresden anhängig. Mindestens acht Gläubiger von B. versuchten, seit August 2013 über das Vollstreckungsgericht Meißen an ihr Geld zu kommen – vergebens. Es gab nichts zu holen. Zuletzt stand der Koch im Juli dieses Jahres in einem Zivilprozess wegen Unterschlagung in Meißen vor Gericht. Er war angeblich mit den Raten für den Mietkauf einer Gulaschkanone in Rückstand geraten, die Parteien stritten sich um 500 Euro. Für B. endete der Prozess mit einem Freispruch.

Umso erstaunlicher mutet da der Umzug seiner Familie nach Burgebrach bei Bamberg an. Die Nachbarn dort berichten, B. habe das Eigenheim in der St.-Veit-Straße erst vor Kurzem erworben. Sie munkeln, das Haus habe 350 000 Euro gekostet. Dabei hat der zum Verkauf stehende Hof in Klipphausen immer noch keinen neuen Eigentümer gefunden, Geld war also nicht geflossen. War die Finanznot der Grund für die Entführung Annelis? Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft äußern sich derzeit dazu. B.‘s Anwalt ist derzeit im Urlaub.

Augenzeugen der Festnahme von B. in Burgebrach berichten, das Eigenheim sei nicht gestürmt worden. „Der wusste, dass die da waren und kam freiwillig raus.“ Er sei zu Boden geworfen worden, dann hätten die Handschellen geklickt. Von der Familie sei seitdem niemand mehr zu sehen.

Die einzige Spur nach Sachsen führt zum Stellplatz am Haus. Dort steht ein Citroen mit Meißner Kennzeichen. An dessen Heck prangt ein Aufkleber mit der Aufschrift: „Super Oma“.